Seine Spraybanane ist auf der ganzen Welt anzutreffen. Doch die künstlerische Heimat von Thomas Baumgärtel war, ist und bleibt Köln. 30works zeigt in der „Cologne“-Ausstellung aktuelle Arbeiten des Ausnahmekünstlers, die eine Hommage an die Domstadt darstellen. Aber auch mit Kritik aufwarten...
Als Bananensprayer wurde er weltbekannt. Und auch ein Stück weit verkannt. Denn das Label des provokanten Sprühers , dem das amerikanische TIME Magazin 1993 ein großes Feature widmete, klebte derart übermächtig an Thomas Baumgärtel, dass man dabei leicht zu übersehen drohte, über welch gewaltige künstlerische Bandbreite der Kölner verfügt. Sein intermediales Werk umfasst Zeichnungen, Druckgrafiken, Wandmalerei, Collagen und Objektkunst. Kategorisch betrachtet ist Baumgärtel Street Art Pionier, Performance Artist, Maler und Installationskünstler; implizit ist er jedoch vorrangig eins: ein bedingungsloser Kämpfer für die Freiheit der Kunst. „Die Menschheit muss seit Beginn des Lebens Kultivierungsformen entwickeln, die die unglaublichen Aggressionen des Seelischen in eine Form bringen und entschärfen. Kultur und Kunst sind eine der wenigen Chancen...“, sagt Thomas Baumgärtel. Diesem Ansatz widmet er seit nunmehr 30 Jahren Aktionen, Happenings und Ausstellungen, die mal die Doppelmoral der Kirche, mal die Ereignisse und die Folgen von 9/11, mal die laschen Gesetze zu Waffenexporten anprangern. Dafür nutzt Baumgärtel sein berühmtes Tag, die knallgelbe Banane, und lässt sie in konvertierter Form an symbolträchtigen Orten installieren. Womit sie inzwischen nicht nur als internationales Gütesiegel für Galerien und Museen fungiert, sondern de facto zum globalen Friedens- und Freiheitssymbol gereift ist.
Baumgärtel weiß um die Wirkung seiner Arbeiten. Denn neben seiner Ausbildung als freier Künstler an der Fachhochschule Köln verfügt er auch über ein Psychologie-Diplom. „Beim Psychologie-Studium habe ich mehr über Kunst erfahren als im eigentlichen Kunststudium; man lernt, wie Wahrnehmung funktioniert. Was Symbolik und Projektion beim Betrachter auslösen. Das war essenziell für meinen Weg als Künstler.“ Thomas Baumgärtel lotet die Wirkungsweisen der Kunst mit seiner wissenschaftlichen Expertise aus und setzt diese Erkenntnisse dann virtuos um. Dabei beherrscht er auch die leisen Töne. Wofür seine subtilen Acrylgemälde und auch seine Porträts im „Bananenpointillismus“ ein beeindruckendes Zeugnis liefern.
Auch wenn seine Spray-Bananen auf der ganzen Welt zu finden sind: Ausgangspunkt und künstlerische Heimat von Thomas Baumgärtel war, ist und bleibt Köln. Die Stadt ist Mikro- und Makrokosmos seines Schaffens, innig geliebt und doch kritisch beäugt, abstrakt thematisiert oder motivisch verewigt in wahlweise leiser, fast poetischer Acrylmalerei. Oder in lautstarken, subversiven Spray-Arbeiten. 30works zeigt in der „Cologne“ Ausstellung des Ausnahmekünstlers ausgewählte Arbeiten, die einmal mehr seine Vielseitigkeit zeigen. Seine fotorealistischen Gemälde vom Dom und dessen Umgebung stellen eine Hommage an die einst große Architektur Kölns dar; und sind in ihrer Erhabenheit und künstlerischen Zuspitzung fast unwirklich schön. Auch der einst reichen Industrielandschaft der Domstadt huldigt Thomas Baumgärtel auf seine Weise, indem er die Nippeser Clouth-Werke mitsamt mächtiger Stahlwalzen und Förderanlagen zu einer visuellen Ode verdichtet. Nicht minder poetisch mutet eine Ansicht des Ehrenfelder Helios-Geländes an, die er aus feinen Acrylschicht-Überlagerungen in diversen Grauschattierungen komponiert und zentralperspektivisch anlegt. Die Faszination für diese Orte ist biografisch bedingt: Baumgärtels Ateliers sind stets in alten, stillgelegten Industriegebäuden zu finden. „Die Höhe und Weitläufigkeit der alten Produktionshallen, die formale Strenge dieser Anlagen, das raue, fast archaische Ambiente: Dieses Erhabene, Kraftvolle berührt mich.“ Und so stellen diese Stätten sprichwörtliche Sehnsuchtsorte dar, die er mit filigraner Pinseltechnik zum Leben erweckt.
Doch dass sein Herz auch weiterhin für Street Art mitsamt der obligatorischen politischen Botschaft schlägt, beweisen andere Köln-Arbeiten: So zum Beispiel ein gesprayter Charlie Brown mit Narrenkappe und überdimensioniertem Bleistift, der die aktuelle Diskussion um die Absage des „Charlie Hebdo“-Karnevalswagens auf den Punkt bringt. Und süffisant bis sarkastisch fragt: „Wie, jetzt sin mer plötzlich nit mih Charlie...?“
Thomas Baumgärtel lebt und arbeitet in Köln. Er ist Gründer der Ateliergemeinschaft „CAP Cologne e.V.“ und hat mit renommierten Künstlerkollegen wie Heribert Ottersbach, Harald Klemm, Gerard Kever, Harald Naegeli, Thitz und M.S. Bastian zusammengearbeitet. Seine Werke sind in zahlreichen privaten und öffentlichen Sammlungen vertreten, darunter in der Kunstsammlung NRW K20 in Düsseldorf.