Kalt, hart, undurchdringlich und zudem mit starker Reflexion ausgestattet: Metall ist der denkbar abweisendste Untergrund für künstlerische Prozesse. Doch in Ermangelung alternativer Trägermaterialien erkor die erste Generation der Street Artists Anfang der 1980er Jahre Metall – neben Beton - zu ihrer bevorzugten Arbeitsfläche. Und so wurden Verkehrsschilder, Unterstände und Waggons zu mitunter unfreiwilligen Unterlagen für Graffiti, Stencils und Paste-ups.
Mit „Heavy Metal“ huldigt Thomas Baumgärtel den Anfängen der Urban Art - und verweist dabei auf seine eigenen Wurzeln als deutscher Pionier auf diesem Gebiet. Der Titel der Ausstellung ist Wortspiel und Programm zugleich: Denn einerseits thematisiert er die Schwere und Unzugänglichkeit von Metall, andererseits nimmt er Bezug zum gleichnamigen Musikstil, der ebenfalls in den späten 70er, frühen 80er Jahren aufkam. Rock wurde erst zu Hardrock, schließlich zu Metal – Bands wie Led Zeppelin und Deep Purple waren die Vorreiter, während Judas Priest, Black Sabbath und Motörhead das Genre dann final etablierten. Die Härte und Intensität der Musik mit ihren exaltierten, kreischenden E-Gitarrensoli und exzessiven Drums begleitet von einem Gesang mit überzeichneten Höhen und Tiefen traf den Nerv der Zeit, indem sie sich gegen das Überkultivierte, betont Intellektuelle auflehnte. „Back to the roots“ war das Motto: weg vom Geschniegelten, Gebürsteten, Affektierten, hin zum Ursprünglichen, Wilden, Ungezähmten.
Diese Haltung greift Baumgärtel mit „Heavy Metal“ sowohl materiell als auch inhaltlich auf. Als ein Künstler, der seine Ateliers vorzugsweise auf alten Fabrikgeländen und in Industriehallen unterhält, sah er sich stets mit Metall und dessen Verarbeitung konfrontiert. Schon früh erkannte er den Reiz und die Herausforderung, dieses archaische, wenngleich kapriziöse Material zu bespielen: „Die einzigartige Grundierung von alten Metallplatten, die Gebrauchsspuren, die individuelle Struktur – das ist sprichwörtlich gelebte Geschichte in hochkonzentrierter Form, ähnlich wie bei den Jahresringen eines Baumes.“, erklärt Baumgärtel.
Die roughe, patinierte Aura seiner Alu-Walzscheiben, Eisentüren und anderer Metallrelikte bricht Baumgärtel mit ätherischen, detailverliebten und höchst empathischen Stencils von Polit- und Musikikonen, Symbolen der Pop-Kultur – und natürlich seiner berühmten Banane. Dabei spart er nicht an expliziter Kritik an aktuellen Missständen und Fehlentwicklungen, die er in gewohnt humorvolle und spielerische Kontexte kleidet. Da wird der Zustand des Kunstmarkts als Totentanz mit pinselschwingenden und spraydosenbewehrten Skeletten inszeniert. Die künstlerische Freiheit, die sich über Fragen der gängigen Moral, der political correctness, der vermeintlichen „Wahrheit“ und auch der Religion erhebt - in diesen Tagen ein großes Thema - findet in einer fulminanten Neuinterpretation von Dürers Adam und Eva ihre thematische Reflexion; wobei Eva ihrem Gespielen hier keinen Apfel, sondern die obligatorische Banane reicht. Demgegenüber stehen Kennedy und Adenauer in einem eindringlichen Stencilporträt, das eine sublime Anspielung auf Adenauers Kampf für die Zollfreiheit deutscher Bananenimporte im Jahr 1957 darstellt.
„Heavy Metal“ sind hier also nicht nur die Untergründe, sondern auch die Inhalte. Die in der poetischen Stilisierung von Musikgöttern wie Jim Morrison, Lemmy Kilmister und David Bowie ihren Höhepunkt finden. Baumgärtel erklärt sie zu Metal-Göttern, losgelöst von ihren tatsächlichen Musikstilen, dafür in post-romantischer Erinnerung an eine Zeit, als das Leben noch unbeschwert und träumerisch war. Und es echte Idole jenseits der heutigen Netz- und social media-Hysterie gab. „Heavy Metal kann man auch als eine Art Retrospektive betrachten.“, sagt Baumgärtel. „Auch wenn die meisten Werke neu sind und aktuelle Themen fokussieren, so sind sie eine Referenz an meine Jugend und Anfangsjahre als Künstler, an meinen Background und meine gesamte künstlerische Entwicklung.“
Dazu passen auch die überdimensionierten Spray-Cans, eine Hommage an sein präferiertes Arbeitsmittel, die Sprühdose; diese Arbeiten werden erstmals zu sehen sein.