07.06.2007 - 28.07.2007
Straßen verbinden Menschen und Orte, sie ermöglichen Mobilität und Verkehr, verursachen aber gleichzeitig auch Lärm und Schmutz. In dem experimentell angelegten Ausstellungsprojekt „Monika Baer Thomas Bayrle“ in der Galerie Barbara Weiss ist das Motiv und Assoziationsfeld „Straße“ zentrales Thema und gleichzeitig die Verbindung zwischen den Werken der beiden zum ersten Mal gemeinsam ausstellenden Galeriekünstler.
Der zentrale Raum der Galerie wird zum (P)Op-Art-Salon und gleichzeitig zu einer Kreuzung. Denn hier stoßen die Werke von Baer und Bayrle direkt aufeinander: Tausende Paare seriell gerasterter schwarzer Herrenschuhe schieben sich auf einer Tapete von Thomas Bayrle auf knallig gelbem Hinterrund neben- und übereinander und bringen so die Atmosphäre zum Flimmern.
Auf die poppig-serielle Struktur dieser aufgestauten Herrenschnürer hat Monika Baer locker verteilt mehrere klein- bis mittelformatige Gemälde und Zeichnungen „geparkt“. Aus den beiden angrenzenden Räumen ertönt der dröhnende Sound von rasenden Autos und das Rattern eines Filmprojektors. BayrlesÂ’ Video „Autobahnkreuz“ (Koproduktion mit Daniel Kohl) und der 16 mm-Film „Gummibaum“ werden hier projiziert.
Die neuen Gemälde und Papierarbeiten der Documenta 12-Künstlerin Monika Baer beschäftigen sich in unterschiedlichen Techniken und Rhetoriken mit den Motiven Straße und Geld und reklektieren über eine Verbindung dieser beiden viel versprechenden Begriffe. In mehreren Bildmotiven präsentiert uns die Malerin, wie bereits in früheren Werken, gleichermaßen realistisch und pikant dargestellte Geldscheine (bevorzugt 10.- oder 50.- Euro-Noten), Münzen oder auch Wurstscheiben, die vor einem nicht näher definierten, meist unappetitlich grün-braunem Hintergrund zu schweben oder in die Tiefe zu fallen scheinen. Neu im Werk von Baer sind cartoonartige Szenen, in denen (Klein)Geld die zentrale Rolle spielt. Auffällig ist außerdem das Bild „Street“, auf dem man von oben durch fäkalienhafte, mit Münzen beklebte Farbschichten auf den Ausschnitt einer roten Straße mit rosa Mittelstreifen blickt. Diese vulgär wirkende Darstellung erinnert an die nüchterne, sexuell aufgeladene Bildsprache der amerikanischen Malerin Lee Lozano (1930-1999).
Auch die Papiercollagen, in denen Monika Baer auf gräulich verwässertem Tuschegrund oder auch auf mit bunten Farbklecksen bespritzten Papieren Zeitungsausschnitte collagiert hat, thematisieren die angesprochen Themen. Beispielweise konfrontiert uns die Künstlerin mit dem Phänomen Geldautomat: Aus einem Loch in der Wand kann jeder, der über ein gedecktes Konto verfügt - wie aus unsichtbarer Quelle gespeist - en passant Geldscheine in Empfang nehmen. Monika Baer geht es in ihren Bildern nicht um eine Kritik am unbedachten oder verführerischen Konsum, sondern um ein Umkreisen und Eindringen in die fetischisierten Oberflächen von Geld.
„Ich sag nie „gute Autobahn“ oder „schlechte Autobahn“, es ist immer beides gleichzeitig. So bin ich begeistert und kritisch in der selben Position, oder riesig und winzig zugleich“, lautet ein Statement von Thomas Bayrle aus dem Jahr 2002, das die Position des vielfach ausgezeichneten Künstlers verdeutlicht.
Seit den Sechziger Jahren entwickelt er eine deutsche Variante der Pop Art und zerlegt in seinen Werken Phänomene der Massengesellschaft in Pixel, Zellen oder Rasterpunkte. Dabei thematisiert er Begriffe wie „Masse“, Massenproduktion, Massenmedien und Massenmobilität.
Die Autobahn interpretiert er als Metapher für die Funktionsweise „des ganzen Systems mit seinen gebetsmühlenartig wiederholten Litaneien aus Arbeitsplätzen, Umweltfragen, Autobahnbau, Versicherung, Autoklau“. Außer seiner Schuh-Tapete von 1967 zeigt die Galerie in jeweils separaten Räumen ein Film- und ein Videowerk des Künstlers.
In den bewegten Schwarzweiß-Bildern des 16 mm-Films „Gummibaum“ von 1993 blickt man aus bewegter Perspektive auf einen sich um sich selbst drehenden Gummibaum. Seine mehrstöckig angelegte Blätterstruktur wird zur Architektur, auf der sich, Insekten gleich, eine Gruppe von durcheinander laufenden Fußgängern bewegt.
Parallel zu dieser Low-Tech-Produktion, für die der Künstler tausende von Fotokopien aneinandergesetzt und animiert hat, läuft das neue Video „Autobahnkreuz“ (Koproduktion mit Daniel Kohl). Die Form des Kruzifix, die bereits in früheren Werken von Thomas Bayrle auftaucht, wurde hier in etwa vierhundert Polygone aufgerastert, welche mit unterschiedlichen digitalen Bildsequenzen fahrender Autos gefüllt sind.
Ihren Hintergrund bildet eine Matrix aus tausenden von kleinen, mit digitalen Bildern gefüllten Vierecken. Während des Films bewegt sich die Kamera, begleitet vom dröhnenden Sound der Autos, langsam von links nach rechts über den durch die Bewegung der Autos scheinbar zum Leben erweckten Körper des Gekreuzigten. Er wird zur Autobahn: Autobahnkreuz – Albtraum oder Wirklichkeit, Verkehr als Ersatzreligion – Unfallopfer als Märtyrer des Straßenverkehrs?