11.09.2010 - 23.10.2010
carlier | gebauer freut sich sehr, neue Arbeiten der finnischen Künstlerin Kirsi Mikkola präsentieren zu können. Mikkola arbeitete bereits in den frühen 1990ern mit carlier | gebauer zusammen und kehrt nun mit einer Welt aus collagierten Konstruktionen zurück. Dark Core Breathing wird bei carlier | gebauer am 10.September 2010 eröffnen.
Mikkolas neue Papierarbeiten nehmen zentrale Aspekte ihrer früheren Werke wieder auf: seien es die Farbqualitäten ihrer frühen, skulpturalen Figuren, oder die fragmentierten und nachjustierten Grammatiken ihrer comicartigen Zeichnungen aus derselben Zeit. Es scheint, als hätten sich ihre fantastisch irritierenden Körper von damals fortbewegt und aus sich einen eigenen Raum erzwungen. Die Vieldeutigkeiten und Irritationen, die Mikkolas Umgehensweisen mit den klassischen Disziplinen der Kunst - Malerei, Zeichnung und Skulptur - immer schon mit sich getragen haben, werden hier in den Collagen weiter auf die Spitze getrieben. In ihnen schichtet Mikkola unzählige, verschlungene, geschnittene, farbig bemalte Papiere, die von Farbfeldern, Zeitungsschnitten, gefärbtem Papier und Erinnerungen an figurative Elemente durchzogen sind, zu gewebten Konstruktionen dünner Linien, zu malerischen Netzen und Ebenen aus farbigen Texturen.
In Dark Core Breathing stellt Mikkola, so könnte man sagen, räumliche Welten aus Collagen als konzentriertere Form der Malerei vor. Es scheint, als habe sie Nikolai Tarabukins berühmte Invektive von 1922 gegen das damals neue Medium der Collage, sie sei nur “ein weiteres Stadium der Malerei”, umgekehrt. In ihren Papierarbeiten wird die Malerei nicht bekämpft, sondern rekonstruiert aus einem ins Extrem getriebenen Verständnis von Farbigkeit, aus der Farbe als zentralem Element einer räumlichen Linienführung, die in sich selbst als eigenständiger Ausdruck existiert, und sich gleichzeitig bündelt zu einem fast bedrohlichen Grad an Intensität. Das sich überkreuzende, ineinander verflochtene und sich überspannende Netz aus filigranen Linien und Flächen aus geschnittenem Papier, lässt Oberflächen aus mehrdeutigen Tiefen entstehen, die eine Präzision pigmentierter Farbflächen gestalten, die der Pinsel niemals erreichen könnten. Mikkolas Collagen individualisieren die Geste im Medium der Konstruktion.
Auf einer der unzähligen Notizen, die Mikkolas Arbeitsprozesse begleiten, notierte sie “expression beyond design”, auf einer anderen “flat implosion”. Diese Gedankenschnipsel, wie auch der scheinbar düstere Titel der Ausstellung, Dark Core Breathing, markieren zentrale Punkte derjenigen materiellen Reflexionen, die aus ihren Werken aufsteigen. Sie suchen keine Repräsentationen von etwas, sondern Realisierungen aus sich selbst. Es kommt vor, dass Mikkola über Jahre an einer Collage arbeit, sie beiseite schiebt, sie von Neuem betrachtet und wieder zu ihr zurückkehrt. Diese Wiederkehr gibt ihrer Arbeit einen Zug von Intimität und von gelebter künstlerischer Erfahrung. Mikkola inszeniert Charakteristika klassischer Schönheit, Farben und Formen, die in ihren Arbeiten die architektonischen Formen, an welche sie erinnern, ebenso übersteigen, ebenso wie designte Oberflächen. Sie intensiviert und übersteigert ihre zentralen Erkennungsmerkmale jenseits der Wiedererkennbarkeit.
Mikkola stellt eine räumliche Welt aus dünnem Papier her, angefangen bei den Entscheidungsprozessen die zu ihren vielfältigen Formaten führen, weiter zu den visuellen und sprachlichen Puns, den versteckten Ikonen und den Titeln, die zusammen unbewohnbare, unreale und doch verführerisch körperliche Räume erschaffen, die ihre Betrachter in einen vorsichtig konstruierten Exzess aus Zeit und Raum hineinziehen.