In seiner ersten Ausstellung in der Galerie Crone zeigt Anthony Goicolea neue Arbeiten von 2014. Es sind vornehmlich Zeichnungen, teilweise eingebunden in einen installativen Kontext sowie einige Gemälde. Allen Arbeiten ist eines gemeinsam: Sie führen den Betrachter in eine schöne, rätselhafte und zugleich trügerische Welt.
Anker der Schau ist die Installation einer modifizierten Halfpipe, die auf eine frühere Arbeit zurückgeht. Auf der vergrößerten Auslauffläche sind Notenständer verteilt, die Zeichnungen von Jünglingen tragen: In still-dramatischen Posen halten sie weiße Tücher vor ihre Gesichter.
Die Tücher sind dabei die einzigen naturalistischen Elemente, die Köpfe der jungen Männer sind hingegen nur in Kontur und Schraffur ausgeführt und spielen so auf altmeisterliche Handzeichnungen an. Auf anderen Zeichnungen in teils fotorealistischer Manier fehlt gleichfalls jeglicher gegenständlicher Hintergrund, der eine narrative Zuordnung erlauben würde. Die schlierigen Verwischungen und tropfenden Konturen können sowohl auf verwischte Aquarelle verweisen als auch auf Manipulationen an digitalen Bildern.
Eine weitere Serie zeigt Rückenansichten mit teils grotesk überkreuzten und verdrehten Armen vor schwarzem Hintergrund. Die Darstellung wird dadurch in einen düster-romantischen Kontext mit surrealem Einschlag gestellt, ohne dass sich die Bezüge genauer benennen ließen. Eine der großen Landschaftszeichnungen hingegen zeigt eine leicht beklemmende, nächtlich verschneite Waldlandschaft, deren Dunkelheit im Hintergrund von Flak-Scheinwerfern durchschnitten wird. Im Vordergrund verschränken sich die Baumstämme mit dem Durchblick auf ein Metallgerüst, das die ganze Szene als Bühnenbild erscheinen ließe, setzte sich der Baumbestand nicht darüber hinaus fort.
Goicoleas Werke irritieren in virtuoser Beherrschung unterschiedlicher Medien die Erwartungen des Betrachters und seine Seherfahrungen. Dabei ist selten etwas so, wie es scheint, und dann nicht einmal das, wofür man es auf den zweiten Blick hält. Stetig entziehen sich Figuren und Landschaften eindeutigen Identifizierungen und Zuweisungen. Dieses Spiel mit Inhalten und Medien zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Werk Goicoleas. Bekannt geworden ist er mit betörenden fotografischen Arrangements einer homosexuellen Jeunesse dorée, die er stets aus hintersinnig-abgründigen Bedeutungsschichten zusammensetzte.
Das Prinzip der aufwendigen Komposition ist den frühen Fotografien und späteren Videos ebenso zu eigen wie den aktuellen Landschaftszeichnungen, die in ihrer einsamen Strenge an die Erhabenen Landschaften des Klassizismus und der Frühromantik gemahnen und dabei doch immer wieder durch die Einbringung überraschender Elemente in einer Gegenwart verortet werden, die haarscharf - aber deswegen nicht weniger deutlich - neben der erfahrbaren Realität liegt.
Dieses Oszillieren zwischen Realität und Imagination, nie stattgefundener Vergangenheit und nur fast vorstellbarer Wirklichkeit findet eine biografische Anknüpfung in der Familiengeschichte des Künstlers. Goicolea wurde 1971 in den USA als Sohn kubanischer Exilanten geboren und hat deshalb eine weitläufige Verwandtschaft, die er aber nur zum Teil kennt und die aus einem Land stammt, das er nur einmal als Tourist erlebt hat.
Goicoleas Arbeiten befinden sich unter anderem im Whitney Museum of American Art (New York), Museum of Modern Art (New York), Guggenheim Museum of Art (New York), Brooklyn Museum of Art und im Hirshhorn Museum in Washington DC sowie in diversen Museen in Spanien und den Niederlanden. 2004 – als Goicolea gerade 32 Jahre alt war – wurde eine monumentale Installation von ihm auf der Art Unlimited in Basel gezeigt.