Erez Israeli zählt zu den bekanntesten Künstlern der jüngeren Generation in Israel. In seinen Arbeiten beschäftigt er sich mit dem Antisemitismus, dem Holocaust, der Beziehung zwischen Deutschland und dem Judentum, aber auch mit der politischen Situation in seiner Heimat.
Dabei setzt er häufig seinen eigenen Körper als Projektions- und Repräsentationsfläche des Jüdischen an sich ein. Er nutzt ihn als „Kollektivkörper", an dem er die traumatischen und kulturellen Prägungen der Geschichte wieder konkret erlebbar und spürbar machen möchte, weil sie sich durch eine routinierte Erinnerungskultur zusehends als leere, rein technische Chiffren verselbstständigen und von ihrer eigentlichen Bedeutung lösen.
Beispielweise nähte er sich für seine Video- und Fotoarbeit „Jewish Lessons" (2009) mit Nadel und Bindfaden einen Davidstern in die Brust, um ihn in seiner grausamen, im wahrsten Sinn des Wortes schmerzhaften Bedeutung zu versinnbildlichen. An diese Arbeit knüpft er jetzt in seiner aktuellen Ausstellung bei Crone an, allerdings indem er die Konnotation genau ins Gegenteil verkehrt. Acht Wochen lang besuchte er an jedem Sonntag den Berliner Techno-Klub Berghain. Am Eingang erhielt er wie üblich jedes Mal einen Einlassstempel. Diesen Stempel wusch er am nächsten Tag nicht ab, sondern ließ ihn sich in die Haut eintätowieren. Den Vorgang hielt er in zehn Photographien und einer Video-Arbeit fest. Sie bilden ein zentrales Element der Ausstellung und verbinden kollektive Erinnerung mit kollektiver Ektase: Unweigerlich wird dem Betrachter vor Augen geführt, dass selbst das radikalste Bekenntnis eines jungen Israeli zum heutigen, kontemporären Deutschland mit seiner faszinierenden Tanz- und Nachtclubkultur nicht ohne Bezug zu den historischen Gegebenheiten gesehen werden kann, dass also beim freiwilligen Eintätowieren von Einlassstempeln des erklärten Lieblingsclubs sofort auch die Erinnerung an das Eintätowieren der Häftlingsnummer in den Vernichtungslagern der Nazis mitschwingt.
Ergänzt werden die Video- und Photoarbeiten durch vier großformatige Tuschemalereien auf Holz. Sie tragen den Titel „Rooms" und zeigen Sex-Szenen aus den Darkroom-Bereichen des Berghains. In Verbindung mit den Einlassstempel-Tätowierungen verweist die ausgesprochen explizite Darstellung homosexueller Praktiken darauf, dass auch Schwule zu den Opfern der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie zählten, in Israelis Heimat aber heute von konservativen Kräften gleichwohl geächtet werden.
Einen ähnlichen radikalen Ansatz wählt Israeli in seiner Zeichnungs-Serie „Jokes", die im Untergeschoß der Galerie gezeigt wird. Er konfrontiert den Besucher mit gängigen Stereotypen, indem er besonders „harte", teils geschmacklose Juden- und Deutschen-Witze illustriert. Damit thematisiert er nicht nur den grassierenden Antisemitismus, sondern er paraphrasiert auch die Debatte nach den Charlie-Hebdo-Anschlägen und den Protest gegen islamkritische Karikaturen.
Zu den weiteren, zentralen Werken zählt ein skulpturales Wandpanel mit dem Titel „Ship of Fools". Israeli bezieht sich darin deutlich erkennbar auf Dürers „Narrenschiff". Allerdings gibt er dem Segelboot, mit dem die Narren über das Meer fahren, den Namen „T4", den Code für das Euthanasieprogramm der Nazis. Die Narren an Bord wiederum sind ausschließlich Juden, für Israeli ein Sinnbild dafür, dass sie von ständiger Vernichtung bedroht sind und gleichzeitig absolute Narrenfreiheit genießen, dass ihre Identität also sowohl von schlimmstmöglicher Fremd-, als auch von größtmöglicher Selbstbestimmung geprägt ist.
Mit deutscher Symbolik spielen auch andere Arbeiten in der Ausstellung. Immer wieder verwendet Israeli kitschige, heimelige Spielzeug- und Märchenfiguren, die er mit düsteren, expressionistischen Motiven verknüpft. In der Arbeit „Nudes in the Sun" treffen beispielsweise liebliche, idyllische Laubsägepuppen auf Szenarien, die an Ernst Ludwig Kirchner und Otto Dix erinnern. Die verharmlosende, romantisierende Heimatliebe-Ästhetik der Nazis wird auf diese Weise mit dem Schrecken konfrontiert, der ihr sublim innewohnt.
In zwei Skulpturen und mehreren Selbstporträts greift Israeli wiederum das Klischee der großen jüdischen Nase auf und verwendet es gleichzeitig zur Selbstbezichtigung und zur Anklage. Dadurch adressiert er auch hier Doppeldeutigkeit, die bis heute das Verhältnis anderer Kulturen zum Judentum sowie jenes innerhalb der jüdischen Kultur selbst bestimmt.
Erez Israeli wurde 1974 in Beer Sheva geboren und lebt heute in Tel Aviv. Seine Arbeiten wurden in zahlreichen internationalen Gruppen- und Einzelausstellungen gezeigt, unter anderem im Martin-Gropius-Bau, Berlin, im Tel Aviv Art Museum und im Georg Kolbe Museum, Berlin. Für große Beachtung sorgte sein monumentales Wandgemälde „Firewall Mural", das er im letzten Jahr an der Feuerwand des Kunsthauses Bethanien in Berlin anbrachte.
Die Arbeiten für die Ausstellung „The Difference Between OOOOH and AAAAH" bei Crone entstanden im Rahmen einer Künstlerkooperation anlässlich des 50jährigen Jubiläums der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel: Für drei Monate tauschte Erez Israeli dabei sein Atelier mit dem deutschen Künstler Norbert Bisky. Biskys Tel-Aviv-Impressionen sind zeitgleich im Atelierhaus der Bötzow Brauerei Berlin zu sehen.