Die Malerei des ungarischen Künstlers Akos Birkas widmet sich dem menschlichen Abbild und davon ausgehend den gesellschaftspolitischen Begebenheiten, denen sich der Mensch Tag für Tag ausgesetzt sieht. Die 14 mittelformatigen Arbeiten der Ausstellung Der Schatten des Anderen zeigen junge und alte, oftmals nackte Personen, vereinzelt oder in intimen Situationen. Die Hintergründe sind mit kunsthistorischen Bezügen oder Zeugnissen vergangener Alltagskultur ausstaffiert, darunter Scherenschnitte á la Matisse oder eine psychedelische Tapete der Siebziger. Auch das Kopfmotiv als bekannte Thematik von Birkas' Malerei kehrt wieder und zwar in Form aufgereihter Physiognomien vor dunklem Hintergrund. Sichtbar aus verschiedenen kulturellen Kontexten stammend, nehmen die Gesichter hier jedoch geradezu die skulpturale Gestalt eines südamerikanischen Opferstockes an.
Ein wichtiges Motiv der Ausstellung Der Schatten des Anderen ist das Selbstportrait des Künstlers im Schlaf. Bereits in Fotografien der 1970er Jahre portraitierte Birkas sich schlafend. Dieses Motiv des schlafenden Künstlers war Sinnbild der damaligen Situation in Osteuropa. In jüngster Zeit nun hat ein konservativer Ruck Ungarn erfasst, der auch als gesamteuropäisches Phänomen wahrnehmbar ist. Birkas' aktuelle Gemälde erzählen von der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Restriktionen, mit Homophobie und Xenophobie. Sie werfen die Frage auf, was mit einer Gesellschaft geschieht, die auf diesen Ängsten aufbaut, und was sie ihnen opfert. Die räumlichen Situationen erzeugen zunächst noch den ersten Eindruck einer privaten Schutzzone, ausgestattet mit hübschen Mustern und Farben. Die dargestellten Menschen sprechen allerdings eine andere Sprache - die Schutzzone hat ausgedient, der Schatten des Anderen, er geht jeden etwas an.
Der Schatten des Anderen beschreibt eine neue Phase in Birkas' Schaffen, wobei grundlegende Ansätze, das menschliche Abbild als Ausgangspunkt, weitergeführt werden. Auf die abstrakten Kopfmotive der 1990er Jahre aus ovalen Endlosschleifen folgen Mitte der 2000er schließlich die figurativen, auf Pressefotografien beruhenden Gemälde. 2010 wird die Auseinandersetzung mit diesen tagespolitischen Momenten durch Bildtitel mit kunsthistorischen Verweisen auf die Geschichte der Malerei erweitert. Zuletzt verbindet Birkas seine Darstellungen mit Textauszügen zeitgenössischer Philosophie, wobei Bild und Text nie gleichzeitig erfasst werden können.
Durch das gesamte Werk von Birkas zieht sich das Bestreben, komplexe, gesellschaftliche Verquickungen in einem neuen, eigens geschaffenen Bedeutungsnetz darstellbar zu machen. Im Mittelpunkt steht demnach nicht der bloße Wunsch nach Darstellung, sondern die Möglichkeit, einen spezifischen Kontext erst darstellbar zu machen. Die von Farbe frei gelassenen Ränder der Leinwände zeugen dabei in überdeutlicher Weise von dem für diesen Prozess geeigneten Medium: die Malerei. Dieses Darstellbar-Machen durch die Malerei ist denn auch bezeichnend für Birkas' Selbstverständnis als Künstler. Denn in der traditionellen Rolle des kreativen Künstlers ist sein Werk nicht gänzlich zu erfassen.
Akos Birkas (geboren 1941) studierte an der Akademie der Bildenden Künste Budapest und prägt als einer ihrer Hauptvertreter die ungarische Malerei seit den 1990er Jahren. Birkas nahm zuletzt an Gruppenausstellungen am CCCB in Barcelona, im Museum Johanneum in Graz, der Hypo-Kunsthalle in München sowie dem Kunst Haus Wien teil. Seine Werke wurden in Einzelausstellungen unter anderem in Berlin, Budapest, New York, Zürich und Amsterdam gezeigt. 2006 widmete das Ludwig Museum in Budapest Akos Birkas eine Retrospektive. Aktuell zeigt das MODEM (Centre for Modern and Contemporary Arts) in Debrecen einen Überblick seiner Arbeiten von 2006 - 2014.