In der Fotografieausstellung IN FRONT OF werden zwei sehr unterschiedliche Werkgruppen der Berliner Fotografin Heidi Specker gezeigt: ihr aktuellstes Projekt IN FRONT OF mit ihrer bisher wohl wichtigsten Arbeit IM GARTEN – prämiert mit dem Stipendium der Villa Massimo und noch nie als Ganzes ausgestellt.
IN FRONT OF ist eine Serie von 70 Bildern, in denen Heidi Specker sich mit den Umständen und Bedingungen der Porträtfotografie auseinandersetzt. Die Serie ist anlässlich der Ausstellung in der Berlinischen Galerie entstanden und ist ihre erste Porträtarbeit überhaupt. Dafür zog sie sich aus ihrem bisherigen urbanen Arbeitsumfeld zurück und holte die Welt in ihr Atelier. Hier erkundete sie in einer Art Laborsituation die Möglichkeiten, auf welch unterschiedliche Weise man einen Menschen fotografieren kann. Mit diesem Verfahren stellt sie sich gegen die gängige Praxis, die seit der Entstehung der Fotografie von Repräsentation und Selbstdarstellung geprägt ist. Stattdessen vermitteln die Bilder die gegenseitigen Abhängigkeits- und Machtverhältnisse, die während einer Porträtsitzung zwischen Fotograf und Modell entstehen. Sie zeigen vor allem Menschen aus der Generation der Künstlerin zwischen vierzig und fünfzig Jahren, die sie aus ihrem persönlichen Umfeld kennt.
Wie jede Porträtfotografie erzählt auch IN FRONT OF etwas über den Menschen hinter der Kamera. Heidi Specker erkundet mit dieser neuen Serie nicht nur ihr eigenes Selbstverständnis und Lebensgefühl, sondern auch die Rätselhaftigkeit des Lebens im Allgemeinen. Die Menschen bewegen sich so ungezwungen und natürlich, dass der Eindruck entsteht, man dürfe einen Blick auf ihr Alltagsleben werfen. Dazu gehört das Unperfekte und Verletzliche, aber auch die Sehnsucht und Illusionslosigkeit. IN FRONT OF besteht neben Porträts aber auch aus anderen Bildkategorien, in denen die Künstlerin Körperfragmente, reproduzierte Kunstpostkarten und symbolhafte Aufnahmen von Dingen aus dem Atelier fotografierte. Letztlich provoziert sie mit diesen beiläufig und sperrig daherkommenden Fotografien auch die Frage, wieweit man einem Menschen überhaupt nahe kommen und seine Persönlichkeit erfassen kann.
Im zweiten Teil der Ausstellung wird ihre 2003/04 in Berlin entstandene Serie IM GARTEN gezeigt. Diese mutet an wie ein Spaziergang durch die Stadt, bei dem über die Stadt als Landschaft und die Reste der Landschaft in der Stadt nachgedacht wird. Das Thema der Architektur und der Urbanität zog sich bis zu der jüngsten Serie IN FRONT OF wie ein roter Faden durch das Werk von Heidi Specker. IM GARTEN besteht aus Aufnahmen von Bäumen und Sträuchern, die in ihren unterschiedlichsten Ausformungen im Umfeld einer urbanen Struktur seltsam fremd, vernachlässigt und geradezu künstlich wirken. Gleichzeitig finden sich überall Hinweise darauf, dass die in der Natur vorkommenden Formen auch als ästhetische Gestaltungsmittel eingesetzt werden und das die Stadtplanung selbst sich immer wieder auf die Natur bezieht. Ihre Bildsprache erinnert vor allem durch ihre technische Präzision, ihrer Ausschnitthaftigkeit und ihren Systematisierungswillen an Fotografen der Neuen Sachlichkeit wie Albert Renger-Patzsch und Karl Blossfeldt. In ihren Bildern wird erkennbar, dass es überall parallele Strukturen zwischen den Resten der Natur und der Architektur zu entdecken gibt. Um diese Zusammenhänge bildwirksam zu gestalten, bedient sich Heidi Specker der Abstraktion, wie schon in ihren früheren Arbeiten. So erscheinen die Bilder wie Collagen, die unser Gehirn als Ergebnis eines Imaginationsprozesses aus Einzelinformationen zusammensetzt.
Heidi Specker gehört zu den wichtigen Vertreterinnen zeitgenössischer Fotografie. Die Ausstellung in der Berlinischen Galerie ist ihr bisher größter Einzel-Auftritt in einem Museum.