Bei der Werkgruppe „Waldbilder“ beginnt Hinrich Gauerke seine künstlerische Arbeit im Wald und setzt im Atelier sein Naturerleben in der Malerei fort. Die atmosphärisch bewegte Wirkung seiner Bilder erzeugt der Hamburger Künstler nicht durch naturalistische Imitation der realen Welt. Vielmehr gewinnt er sie durch Erarbeitung spezifischer bildräumlicher Strukturen – durch Bereiche von Schärfe und Unschärfe, die im Prozess der Wahrnehmung belebt und vollendet werden.
Der prozessartige Wahrnehmungsvorgang parallelisiert das Naturerlebnis des Künstlers im Wald, das Hinrich Gauerke mit folgenden Worten beschreibt: „… Die Stelle, an der ich morgens um zehn beginne, sieht schon um halb elf ganz anders aus. Die Sonne wandert – und auch ich scheine mich zu bewegen: Ständig sehe ich neue Zusammenhänge. Es ist, als zöge sich vor meinen Augen ein Vorhang vor dem nächsten auf …“
In seinen Bildern strebt Hinrich Gauerke nicht danach, einen spezifischen Ort oder eine einzelne Lichtstimmung zu inszenieren. Es geht ihm dagegen darum, die über Stunden hinweg von ihm erlebte Dynamik der Natur zu erfassen. Mit bildnerischen Mitteln überführt er diese in die Kunst, um sie beim Anschauen der Bilder spürbar zu machen.
Für seine Bildgestaltung nutzt Gauerke die bereits in der Antike gebräuchliche Technik der Enkaustik (Wachsmalerei). Mit schichtweise aufgetragenem Wachs wird eine besonders lebendig wirkende Oberfläche mit farbintensivem Tiefenlicht erzeugt. Hinrich Gauerke perfektioniert das künstlerische Verfahren durch die gezielte Modellierung der Gemäldeoberflächen.
Man könnte meinen, dass die von ihm dargestellten Pflanzen und Tiere aus der Farbmaterie wachsen. Vor dem Gemälde „Pferd im Wald“ (2012) glaubt man den Blick des Tieres förmlich zu spüren, als würde es aus dem Unterholz zu uns herüberschauen. So lebensnah die Anmutung ist, so deutlich wird gleichzeitig die Freiheit der künstlerischen Gestaltung. In Farbigkeit und Textur scheint das Pferd mit seiner Umgebung regelrecht verwoben zu sein, wirkt wie ein Teil des Waldes. Das Spiel mit dem Realitätsgrad der Erscheinung regt dazu an, Fragen zu stellen. Man kann über den Zusammenhang von Pferd und Wald nachdenken oder auch verschiedene Vorstellungsbilder vom Wald reflektieren. Dazu zählen beispielsweise die von Märchen und Mythen geprägten Bilder, aber auch unterschiedliche Begriffe von Natur –vom Wald in seiner heutigen kultivierten Form als Forst oder von der nicht kultivierten Natur der Urwälder, in denen früher auch in unseren Breiten Wildpferde lebten. Gauerkes Bild bezieht keine Stellung. Die Bildaussage bleibt offen, die Malerei vielschichtig und geheimnisvoll.