„Mit dem fotografischen Bild zu arbeiten, ist meine Art zu leben. Wenn ich nachdenke und meine Bilder genau betrachte, so sind sie alle – und jedes für sich – nichts anderes als Selbstporträts, ein Teil meines Lebens.“ Christer Strömholm
Spielende Kinder, innige Liebespaare, prominente Künstler, stolze Transsexuelle, entstellte Kriegsopfer – im Porträt des Anderen sieht man immer sich selbst. Seine eigene Schwäche, Fragilität und Verwundbarkeit. Das Unvertraute irritiert und zieht gleichzeitig unaussprechlich an. Christer Strömholm wendet sich in seinem vielfältigen OEuvre radikal der Welt zu und konfrontiert sich mit dieser oft rauen Realität tagtäglich. Stets geduldig und präzise beobachtend. Er belauert seine Mitmenschen nicht heimlich-voyeuristisch, sondern gibt sich seinem Gegenüber klar zu erkennen. Die unmittelbare Nähe zum Porträtierten ist Grundprinzip seiner Fotografie. So geht es ihm nicht um den entscheidenden Augenblick, sondern eine offene Haltung seinen fotografischen Objekten gegenüber. Seine subjektive Fotografie ist geprägt von großem Respekt, Nähe und gewachsener Vertrautheit.
Die Schwarz-Weiß-Bilder von Christer Strömholm sind in ihrem Stil nicht eindeutig zuzuordnen – oft grobkörnig, rau und dunkel. Sein Werk ist Existenzialismus mit fotografischen Mitteln: analytisch und melancholisch und dabei aber immer einfühlsam und stets empathisch. Als erklärter Vertreter des „available light“ arbeitete er ausschließlich mit vorhandenem Licht, Die Umgebung ist zwar wichtiger Bestandteil seiner Bilder ist, Details verschwinden jedoch zumeist im Dunkel. Ein Stil, der im Fremden das Eigene suchte.
Für Christer Strömholm beinhaltet der Akt des Fotografierens drei Kriterien. Erstens die Verantwortung des Fotografens für den Wahrheitsgehalt seines Bildes. Zweitens ein Prozess der Erkenntnis, der sich aus verschiedenen Erfahrungen zu neuen Schlussfolgerungen zusammenzufügt. Und drittens die ausdrückliche Präsenz von den Gefühlen, Erfahrungen und Vorstellungen des Fotografen. Mit dieser Haltung wurde er zum Altmeister und zur herausragenden Persönlichkeit der modernen schwedischen Fotografie. Seinem Werk und seine Methode hat Generationen von Künstlern beeinflusst – unter anderem Anders Petersen, Dawid, Christer Landegren und den dänischen Regisseur Bille August. Auch International nimmt Christer Strömholm eine zentrale Position in der Fotogeschichte ein, denn seine Bilder haben immens dazu beigetragen, die Fotografie als eigenständige Kunstform zu etablieren.
C/O Berlin präsentiert erstmals eine Retrospektive von Christer Strömholm in Deutschland, die ca. 150 Fotografien, Kontaktbögen, Arbeitsmaterialien und Schriftstücke umfasst, worin alle wichtigen Serien enthalten sind. Die Ausstellung wurde vom Fotografiska/ Stockholm in Zusammenarbeit mit Joakim und Jakob Strömholm zusammengestellt. Zur Ausstellung ist das Buch „Post Sciptum“ bei Max Ström erschienen.
Christer Strömholm, 1918 in Stockholm geboren, beginnt 1937 an der Dresdner Akademie ein Malereistudium. 1938 verlässt er Deutschland, übernimmt Kurierdienste für die Republikaner in Spanien und sympathisiert mit den Anarchisten. 1939 bis 1940 nimmt er am finnisch-sowjetischen Winterkrieg teil, bis 1945 ist er Widerstandskämpfer gegen die deutschen Truppen in Norwegen. 1946 geht Christer Strömholm an die Académie des Beaux Arts in Paris – Fotografie wird sein Medium. Seine ersten Bilder aus den Nachkriegsjahren zeigen typische Szenen aus der Bohème wie Künstlerateliers oder Cafés, wenig später entstehen Studien von Strukturen wie Mauernflächen, Graffiti, von abstrakten Formen in der Landschaft oder Schatteneffekten. Diese Arbeiten erklären sein zeitweiliges Engagement für Positionen der Gruppe „fotoform“, die von Otto Steinert geleitet wurde. 1957 übernimmt er einen Abendkurs für Gestaltung an der Kursverksamheten an der Stockholmer Universität. Daraus entwickelt er zusammen mit seinem Freund Tor-Ivan Odulf eine Schule für Fotografie – die legendäre Fotoskolan, dessen Leiter er von 1962 bis 1972 ist. In dieser Zeit werden hier mehr als 1.200 Studenten. 1981 erhilet er die goldene Medaille vom Rencontres Internationales de la Photographie in Arles. 1993 wird er zum Professor durch die schwedische Regierung ernannt und erhält 1997 den Hasselblad Award – den „Nobelpreis“ für Fotografie. 2002 stirbt Christer Strömholm in Stockholm.