19.07.2008 - 05.10.2008
Veteranen und Dekorierte, Frauen und Mütter, Opfer und Heimgekehrte, Kriegsgegner und Demonstranten – wie tief greift der Krieg in das Leben der Menschen ein? Wie verändert er das Individuum? Durch das Geschehene, durch Krisen und Katastrophen werden Menschen normiert und generalisiert. Diesen Verlust des Subjektiven und der Identität dokumentiert Judith Joy Ross in Porträts von Amerikanern, die in die Kriege in Vietnam, am Golf oder im Irak involviert waren. Kein Lächeln, keine Freude, eher eine innere Zerrissenheit und Verhärtung finden sich in den präzisen und nüchternen Fotografien mit ihrer einzigartigen Mischung aus Intimität und emotionaler Distanz.
Judith Joy Ross zählt zu den wichtigen amerikanischen Fotografen in der Tradition des „dokumentarischen Stils”, deren Arbeit in Europa noch zu entdecken ist. Seit über 30 Jahren widmet sie sich ausschließlich dem Porträt. Ihre Schwarz-Weiß-Fotografien konzentrieren sich dabei ganz auf die Physiognomie der Menschen, um durch sie die innere Wirklichkeit der Porträtierten herauszuarbeiten. Sie verzichten auf alle darüber hinaus gehenden zeittypischen Attribute. Gleichwohl geht es der Fotografin nicht allein um eine Individualpsychologie, sondern ebenso um eine historische und existentielle Dimension. Ähnlich wie in August Sanders Werk ist auch bei Ross das Individuum eingebunden in seine Zeit und deren geschichtliche Koordinaten.
Die Ausstellung bei C/O Berlin zeigt drei Gruppen von Porträts: Die erste mit dem Titel „Protest the War” ist zugleich die chronologisch jüngste – sie entstand 2006/07 und zeigt Menschen, die in den USA gegen die Teilnahme ihres Landes am Irakkrieg demonstrieren. Begleitet werden diese Fotografien von Aufnahmen, die vor mehr als 15 Jahren entstanden. Sie porträtieren Soldaten, die unmittelbar vor ihrem Einsatz im ersten Golfkrieg stehen. Eine letzte Gruppe entstand 1983/84 am Vietnam Veterans Memorial in Washington, D.C.. Sie stellt in Einzelporträts dessen Besucher vor, Veteranen oder FamilienangeÂhörige, die sich der Gefallenen des Krieges in Südostasien erinnern. Die Porträts von Ross nehmen nicht Partei für eine bestimmte politische Richtung, sondern stellen die Unersetzbarkeit des Individuums als Grundlage des geschichtlichen Prozesses heraus.