Zu keiner Zeit haben sich so viele Künstler derart individuell mit dem „Buch der Bücher“ auseinandergesetzt wie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Künstlern wie Ernst Barlach, Marc Chagall, Otto Dix oder Emil Nolde geht es um mehr als eine Illustration der biblischen Geschichte. Sie greifen vielmehr Themen heraus, die sie persönlich berühren und – oft überraschend subjektiv – neu interpretieren.
Die Ausstellung „Gottesbilder-Menschenbilder“ zeigt anhand herausragender Künstlergrafiken das ganze Spannungsfeld dieser persönlichen Auseinandersetzung mit dem tradierten Motivkreis der Bibel. Gerade angesichts der tiefgreifenden Erschütterungen des Ersten Weltkriegs veranschaulichen die Blätter von Max Beckmann, Lovis Corinth, Georges Rouault oder Max Slevogt die Rückbesinnung auf ethisch-christliche Grundwerte. Ohne konfessionelle Eingrenzung nehmen sie das Wirken und Leiden Christi oder die Propheten und Könige des Alten Testaments aber auch als Anlass, um intensivste Seelenzustände und existenzielle Konflikte zur Anschauung zu bringen.
Kommt beispielsweise Oskar Kokoschka zu dem Fazit, die Passion Christi sei die „ewige Menschheitsgeschichte“, so sehen Künstler wie James Ensor in ihr ein Trost spendendes Gleichnis für den Hohn und die Verachtung, die ihnen als fortschrittlich gesinnten Künstlern entgegenschlägt. Zugleich sind Max Pechsteins Grafikfolge „Vater unser“ oder Schmidt-Rottluffs Blätter des „Kristus“-Zyklus nicht nur Meilensteine expressionistischer Holzschnittkunst, sondern in Zeiten der Unsicherheit und des Umbruchs auch ein leidenschaftlicher Appell für die christlichen Werte von Nächstenliebe und Gewaltlosigkeit.
Die Ausstellung im Edwin Scharff Museum Neu-Ulm versammelt 120 Radierungen, Holzschnitte und Lithographien aus der Stiftung Christliche Kunst in Wittenberg, wobei der Schwerpunkt auf Darstellungen zum Neuen Testament und auf Arbeiten der Moderne liegt. Darüber hinaus gibt sie einen Ausblick auf neuere Auseinandersetzungen mit christlichen Themen wie sie etwa im Schaffen von Georg Baselitz, Joseph Beuys oder Arnulf Rainer zu finden sind.