Vom 29. März bis zum 16. August widmet sich das Felix-Nussbaum-Haus dem Werk des Grafikers Hans Meid und seiner Schüler Felix Nussbaum, Rudi Lesser und Gunter Böhmer. Hans Meid (1883 – 1957) zählt zu den bedeutendsten Vertretern der impressionistischen Grafik und gilt als populärster Buchillustrator seiner Zeit. Die Ausstellung erinnert an den Künstler, der vor allem als Lehrerpersönlichkeit an der Berliner Hochschule für Bildende Kunst auf die junge Generation wirkte. Mit Felix Nussbaum, Rudi Lesser und Gunter Böhmer werden drei seiner Schüler vorgestellt, die ihrem Lehrer in besonderer Weise verbunden waren.
Die Präsentation ausgewählter Grafiken Hans Meids gibt Einblick in die Bildwelt des Künstlers mit ihren fantastisch oder literarisch motivierten Bildinszenierungen: Erotisch-mythologische Szenen und romantische Themen sowie stimmungsvolle Impressionen südlicher Städte und Landschaften, aber auch die herausragenden Illustrationen zu Shakespeares „Othello“ beschwören eine der eigenen Zeit enthobene Wirklichkeit. Ausgewählte Werke Felix Nussbaums, Rudi Lessers und Gunter Böhmers vermitteln dagegen einen Eindruck von der jungen Künstlergeneration im Berlin der späten 1920er Jahre. Felix Nussbaum und vor allem Rudi Lesser richten ihre Blicke bewusst auf die Gegenwart ihrer Zeit, den Alltag der kleinen Leute in der modernen Großstadt ebenso wie in Orten der Provinz. Der offensichtliche und teilweise kritische Zeitbezug dieser Werke steht im Gegensatz zur zeitlich und politisch unberührten Abgehobenheit der Bilder ihres Lehrers.
Vordergründig betrachtet hat das Schaffen der drei Meid-Schüler nichts mit dem Werk ihres Lehrers zu tun. Tatsächlich vermied Meid jede Einflussnahme und betonte, dass er niemals die Persönlichkeit einer seiner Schüler „vergewaltigt, seinen Stil verdorben oder ihm die herrschende Tagesmeinung aufgepfropft“ hätte. Die vergleichende Betrachtung bestimmter Werk- und Lebensaspekte erlaubt dennoch, Verbindendes zwischen Hans Meid und seinen Schülern aufzuspüren. Die Konzentration auf das grafische Schaffen lenkt den Blick erstmals auf die zeichnerische Begabung Felix Nussbaums. Selten gezeigte Druckgrafiken und Zeichnungen des Künstlers sind neu zu entdecken. Aber auch in Gouache gemalte Bilder, in denen Nussbaum es versteht, grafische Akzente wirkungsvoll einzusetzen. 1934 übernimmt Hans Meid in der Nachfolge von Käthe Kollwitz die Leitung des Meisterateliers für Grafik an der Preußischen Akademie der Künste in Berlin, während die künstlerischen Lebenswege seiner Schüler durch die nationalsozialistische Diktatur gezeichnet sind. Sie verlassen Deutschland 1933 aus jeweils unterschiedlichen Gründen. Im besonderen Felix Nussbaum macht die Reflexion über das erzwungene Exil zum Hauptthema seiner Kunst. Während Nussbaum (1904 – 1944) nach Jahren des Exils in Italien und Ostende in seinem Brüsseler Versteck 1944 entdeckt und nach Auschwitz deportiert wird, gelingt Rudi Lesser (1901 – 1988) das Überleben in der Emigration in Dänemark und Schweden. Nach einem zehnjährigen Aufenthalt in den USA kehrt er 1956 nach Berlin zurück. Gunter Böhmer (1911 – 1986) reist auf Einladung Hermann Hesses im April 1933 nach Montagnola ins Tessin, wo er sich aufgrund der politischen Entwicklung in Deutschland dauerhaft niederließ.
Anhand der Gegenüberstellung der Werke Hans Meids und seiner Schüler spürt die Präsentation den Gegensätzen von „Traum und Wirklichkeit“ nach. In spannungsvollen Gegenüberstellungen werden Gemeinsamkeiten und Eigenheiten sichtbar gemacht. Die Ausstellung eröffnet damit einen ungewöhnlichen Blick in das Kunstschaffen einer Zeit, die für das Verständnis der Künstler der „verschollenen Generation“ von zentraler Bedeutung ist.