Etwa seit der Jahrtausendwende ist in der bildenden Kunst, im Design und in der Architektur eine erneute Hinwendung zum Ornament festzustellen. Das erscheint überraschend, war doch das 20. Jahrhundert von einer weitgehenden Ornamentlosigkeit geprägt. Denn in der bildenden Kunst der westlichen Industrieländer führte das vernichtende Verdikt in Adolf Loos‘ Streitschrift „Ornament und Verbrechen“ (1908) im 20. Jahrhundert zu einer Verbannung des Ornaments aus Kunst, Architektur und Design. Stattdessen kam es zu einer Neuorientierung mit der Entwicklung von abstrakter und konkreter Kunst.
In der gegenwärtigen Aneignung bzw. im Rückgriff auf ornamentale Strukturen zeichnet sich ein neuer Umgang mit dem Ornament ab, der durch höchst unterschiedliche, letztlich individuelle künstlerische Verfahren geprägt ist. Die strenge Ordnung traditioneller Ornamentik wird heute vielfach gebrochen, und mit anderen Stilelementen vermischt.
Überlieferte Ornamentformen werden zwar zum Teil übernommen, kritisch oder auch ironisch benutzt, aber z.B. durch extreme Vergrößerung oder Kontextwechsel völlig neu interpretiert. Überhaupt folgt die Verwendung von Ornamenten heute stilistischen Prinzipien des 20. Jahrhunderts, d.h. dem Zitat, der Collage, der Dekonstruktion oder dem Cross-over.
In einigen Positionen lässt sich der Einfluss außereuropäischer Kulturen erkennen, deren ornamentale Traditionen noch lebendig sind, in anderen zeigt sich der Einfluss heutiger Medientechnologie, die durch Reihungen und serielle Strukturen einer neuen Beschäftigung mit Ornamenten Vorschub geleistet hat.