10.06.2007 - 12.08.2007
Die figürliche Bildhauerkunst war bis in die frühen sechziger Jahre undenkbar ohne das lebende Modell. In einer vom Bildhauer ausgewählten Pose harrte es aus und ermöglichte diesem dadurch, sich seiner Bildidee, vermittelt überdie Zeichnung und das Tonmodell, zu vergewissern. Diese Ausstellung nähert sich der hohen Bedeutung des Modells für die bildhauerische Arbeit auf zwei sich kreuzenden Wegen. Zunächst sind hier die persönlichen Erlebnisse des aus einer Artistenfamilie stammenden Eberhard Wallor, der sich einmal in einer Figur Waldemar Grzimeks im Gerhard-Marcks-Haus wiedererkannte und ausrief: Das bin ich! Von 1948 bis 1956 hinterließ er mit seinem an komplizierte Haltungen gewöhnten Körper zahlreiche Spuren in der Plastik der Nachkriegszeit. So stand er für Richard Scheibe, Renée Sintenis,Gustav Seitz, Waldemar Grzimek oder Fritz Cremer und lieh großen Denkmalen ebenso wie kleinen verspielten Knabenfiguren seine Gestalt. Zeichnungen und Plastiken dieser Künstler zeigen, wie maßgeblich das lebende Modell für die Struktur der entstandenen Bildwerke ist, ohne dem bildhauerischen Duktus und der persönlichen Interpretation den Raum zu nehmen.
Sodann: Bereits der Vater von Eberhard Wallor arbeitete besonders bei Wilhelm Gerstel, dem Leiter einer Bildhauerklasse an der Berliner Hochschule für Bildende Künste,und dessen Schülern als Modell. Gerstel suchte in seinen Werken eine Synthese von konstruktiver Form und naher Naturwiedergabe. Eine seiner Maximen lautete: »Ein Hals ist wie eine Säule, aber eine Säule ist eben kein Hals«. Seine Schüler lehrte er vor allem, sich durch das Modellzeichnen über den Aufbau des menschlichen Körpers als eines von beweglichen Gelenken und markanten Knochenpunkten bestimmten Gerüstes klar zu werden. Im Zusammenhang mit diesen Studien entwickelte Ernst Balz in den dreißiger Jahren an der Berliner Hochschule einen »Anatomischen Gliedermann«, eine schematische Nachbildung des menschlichen Skeletts aus Metall. Werke von Balz und Hans Steger aus der älteren Schülergeneration sowie die von Grzimek, Seitz und Cremer aus der jüngeren Generation vermitteln eine Idee der »Gerstel-Schule«, die großen Einfluss auf die Entwicklung der figürlichen Bildhauerkunst in Deutschland hatte.