01.06.2008 - 10.08.2008
Die Arbeit des dänischen Künstlers FOS (geb. 1971) bewegt sich auf der Grenze zwischen autonomem Kunstwerk und anwendbarem Design. Er sagt von sich, dass er „soziale Interaktion als Material“ benutze „wie Farbe oder einen Brocken Ton“. Seit 1999 fasst er seinen künstlerischen Ansatz unter der Bezeichnung social design zusammen.
Social design bezeichnet dabei ein Vorgehen, das in den physisch fassbaren, vorgefundenen Raum, dessen architektonische Umgebung und Ausgestaltung eingreift, um die scheinbar festgelegten Bedeutungen wieder zu öffnen, die wir ihm über derartige Komponenten zuschreiben. Mittels Objekten, groß angelegten Installationen, Mode-, Grafik- und Interior-Design, Performances, Musik und Vorträgen kreiert FOS Settings, so genannte platforms, in denen Menschen in soziale Beziehungen zueinander treten.
Mit anderen Worten: FOS nutzt den Kunstraum eher als Transformationsmedium für (soziale) Situationen denn als Ausstellungsraum von Kunstwerken im herkömmlichen Sinn. Gleichzeitig geht es ihm aber nicht darum, die Gesellschaft im Beuysschen Sinn als Kunstraum auszurufen, sondern er sucht vielmehr, gesellschaftliche Muster in den Ausstellungszusammenhang hineinzutragen. Nicht: „Jeder Mensch ein Künstler“, sondern: „Alles potentiell Kunst“. Das meint im Umkehrschluss jedoch nicht, dass künstlerisches Objekt oder Ästhetik des Designs bei FOS eine untergeordnete Rolle spielen. Vielmehr sieht er jedes Element als Kommunikator und Mitspieler innerhalb eines Prozesses. In FOSÂ’ social design übernimmt jeder Part Verantwortung in einem Zusammenspiel der einzelnen Teile, das als Endziel Vielfalt und Enthierarchisierung proklamiert.
Konkret kann das bedeuten, dass er Abfall der Frieze Kunstmesse in London – Papier, Lupo-Folie, Klebeband, Bestandteile von Kojenwänden, Plastikfolie, Holzlatten etc. – in den kommerziellen Kunstraum zurückführt, indem er ihn in einen funktionierenden Eisverkaufsstand innerhalb des Messezusammenhangs transformiert (The Storage of Frieze Art Fair Made into an Ice Cream Stand, 2004). Oder die Uniformen für das Führungspersonal der Busan Biennale entwirft (The System Is Loose I Think I Love You, 2006). Oder kurz vor dem Eintritt Lettlands in die EU als Beitrag der Skulpturen-Biennale in Riga einen Obst- und Gemüsestand für den örtlichen Wochenmarkt in Europa-Blau beisteuert (Fruit Stand for Two Vendors, 2004).
Die Ausstellung Memory Theatre Twig! in der GAK ist FOSÂ’ erste institutionelle Einzelausstellung überhaupt. Hierfür wird er ein groß angelegtes, facettenreiches Projekt realisieren, das sich auf die Thematik der Kuriositätenkabinette und Wunderkammern bezieht. Derartige Ansammlungen von Gegenständen verschiedenster Art fungierten im Europa des 15. bis 17. Jahrhunderts als Erinnerungsspeicher – als „Memory Theatre“. Darüber hinaus waren sie immer auch Prestigeobjekt von Monarchen und Gelehrten und damit Ausdruck gesellschaftlicher Befindlichkeiten. Auf diese Weise werden zwei Aspekte angedeutet, die in ihrer Wechselwirkung auch bei FOS thematisiert werden: Macht und visuelle Gestaltung. Außerdem stehen das Kuriositätenkabinett und der künstlerische Ansatz von FOS gleichermaßen für ein Verweilen der Dinge zwischen allen festlegenden Kategorien. Seine Ausstellung in der GAK sieht er als Unterabteilung oder eben „Zweig“ (engl. „twig“) einer zeitgenössischen Form des Kuriositätenkabinetts, als einen Versuch, Erinnerung zu materialisieren, um sie überhaupt erinnerbar zu machen. Als eine solche Materialisation fungieren seine platforms, von denen er für Memory Theatre Twig! fünf über den gesamten Ausstellungsraum verteilt. Auf diese Weise verwandelt er die GAK in ein verwinkeltes Gangsystem aus halbtransparenten, farbigen Zelten, puzzleartigen Bodenbelägen, einer sich in den Außenraum verzweigenden Rohrkonstruktion sowie neuen Objekten und Wandmalereien, das sich einordnenden Kategorien bewusst zu entziehen sucht und über das Aufeinandertreffen von Erinnerung und deren objekthafter Verfestigung Information generiert. Die so entstandene Situation ist atmosphärischer Rahmen für Veranstaltungen unterschiedlicher Formate als auch autonome und somit außerhalb einer Funktionsbestimmung stehende Kunstsprache in einem.
Als weiteren Bestandteil der Ausstellung wird FOS den Eingangsbereich der GAK als permanente Installation zu einem Raum des Verweilens, der Information und der Kommunikation umgestalten. Auf diese Weise bleibt eine seiner platforms auch nach Beendigung von Memory Theatre Twig! in der GAK sichtbar und wird so selbst zu einer kleinen Verästelung in FOSÂ’ Erinnerungstheater.