„Hello World. Revision einer Sammlung“ ist eine kritische Untersuchung der Sammlung der Nationalgalerie und ihrer vorwiegend westlichen Ausrichtung: Wie sähe sie heute aus, hätte ein weltoffeneres Verständnis ihren Kunstbegriff und ihre Entstehung geprägt? Wie würde sich eine Erweiterung und Vervielfältigung der Perspektiven auf den Kanon und die kunsthistorischen Narrative auswirken? Anhand dieser Fragen entfaltet sich die Ausstellung in dreizehn thematischen Kapiteln als eine vielstimmige Zusammenarbeit interner und externer Kuratorinnen und Kuratoren über die gesamte Ausstellungsfläche des Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin.
Die Sammlung ist das Fundament eines jeden Museums, und sie wird geprägt von sich verändernden politischen und kulturellen Rahmenbedingungen. Die Nationalgalerie der Staatlichen Museen zu Berlin umfasst heute die Häuser Alte Nationalgalerie, Neue Nationalgalerie, Museum Berggruen, Sammlung Scharf-Gerstenberg und Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin. Ihre umfangreichen Bestände reichen vom späten 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart und verdanken sich einer wechselvollen Geschichte, die 1861 begann. Im Nationalsozialismus wurden große Teile der Sammlung moderner Kunst als „entartet“ eingestuft und entfernt oder zerstört. Auch die Teilung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg hinterließ ihre Spuren: Während sich die Nationalgalerie in West-Berlin westeuropäischer und nordamerikanischer Kunst zuwandte, sammelte sie im Osten der Stadt vorwiegend national.
Diesen komplexen, durch Brüche geprägten Charakter der Sammlung spiegelt die Ausstellung wider: Statt eine lineare Entwicklungsgeschichte der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts zu konstruieren, bilden Werke der Sammlung Ausgangspunkte für dreizehn Erzählungen. Der Nachvollzug historischer Spuren findet sich ebenso wie die assoziative Verknüpfung von Gedankengängen und Bildwelten. Im Fokus stehen Momente von transnationalem Austausch, von künstlerischer Zusammenarbeit und Grenzgängen, deren tatsächliche Ausformungen an Figuren wie Marta Minujin, Tomoyoshi Murayama, Wolfgang Paalen, Walter Spies, Rabindranath Tagore oder Heinrich Vogeler deutlich wird. Die Ausstellung verfolgt Prozesse der Aneignung und Transformation von Ideen, Haltungen und Objekten. Sie spielt auf historische Museumsmodelle ebenso an wie auf aktuelle, in die Zukunft weisende Museumskonzeptionen. Sie zeigt alternative und hybride Verständnisse von Kunstproduktion, untersucht blinde Flecken in der Geschichtsschreibung sowie Konsequenzen des Kolonialismus und stellt Zusammenhänge her, die ein Aufbrechen des westlichen Kanons vorantreiben. Und sie wirft die Frage auf: Wie kann die Nationalgalerie die hier vorgestellten, kuratorisch vielstimmigen Entwürfe zum Umgang mit den Beständen künftig weiterentwickeln, um dem weltweiten künstlerischen Austausch gerecht zu werden?
Mehr als 200 Werke aus den Beständen der Nationalgalerie werden ergänzt durch etwa 150 Leihgaben aus weiteren Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz: aus dem Ethnologischen Museum, der Kunstbibliothek, dem Kupferstichkabinett, dem Museum für Asiatische Kunst und dem Zentralarchiv sowie dem Ibero-Amerikanischen Institut und der Staatsbibliothek zu Berlin. Hinzu kommen weitere 400 Kunstwerke, Zeitschriften und Dokumente aus nationalen und internationalen Sammlungen. Insgesamt sind in der Ausstellung mehr als 250 Künstler*innen vertreten.