Die Erzählung über den Einzelgänger Charles Meryon, der nach endgültiger Einlieferung in die Anstalt von Charenton in geistiger Umnachtung starb, weist zahlreiche topische Züge auf. Ohne dass man die Abgründigkeit seiner Pariser Ansichten in Frage stellen müsste, ist Meryon dennoch ein Kind seiner Zeit. Nicht nur war er Mitglied der Société des Aquafortistes, die ab 1862 das Revival der Radierung in Frankreich einleitete und selbst einen Edouard Manet in ihren Mitgliederlisten führte. Auch haben ihn keine geringeren Größen als Charles Baudelaire oder Victor Hugo für seine grafischen Werke gerühmt. Meryons Sonderstellung rührt nicht zuletzt daher, dass er zu den frühen Erneuerern der Radierung gehörte. Denn es ist verkürzt, wenn man in einschlägigen Übersichtswerken zur Radierung davon hört, dass die Radierung nach der Revolution von 1789 in einen über 70-jährigen Schlaf gefallen sei. Schon in den 1850er Jahren radierte Meryon, der „Piranesi Frankreichs", Ansichten des mittelalterlichen Paris. Und immer wieder ließ er in seinen Bildern die Stadt von phantastischen Wesen befallen, ja rückte die Erscheinung der Großstadt in ein geradezu visionäres Licht und leistete damit einer lange Zeit gültigen Lesart der Blätter im Sinne eines Psychogramms Vorschub.
Doch so singulär Meryons Stadtlandschaften auch sein mögen: Über die Radierungen Meryons lassen sich sowohl die Anfänge als auch die spätere Hochkonjunktur der Radiermode in Frankreich sinnfällig nachzeichnen. Die Ausstellung betont daher sowohl die singuläre Stellung der Motivwelt Meryons als auch gleichzeitig dessen Abhängigkeit von den künstlerischen Prämissen seiner Zeit. Es sind diese beiden, nur vordergründig konträren Seiten des Künstlers, die vor der Folie prominenter Blätter aus eigenem Bestand, aus der Sammlung Hegewisch in der Hamburger Kunsthalle und aus dem Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin greifbar werden sollen.