Erstmals unternimmt es eine Ausstellung, die beiden größten französischen Lithographen des 19. Jahrhunderts, Henri de Toulouse-Lautrec (1864-1901) und Honoré Daumier (1808-1879), in einer Gegenüberstellung zu würdigen. Nicht nur gleichen sie sich darin, dass sie der Technik des Steindrucks höchsten Stellenwert einräumen, auch zeichnen sich beide Künstler durch einen Blick aus, der gleichsam von außen, von einer Randposition her, die französische Hauptstadt Paris durch Momentaufnahmen in den Fokus nimmt. Bei Henri de Toulouse-Lautrec jährt sich der 150. Geburtstag. Allein das ist Grund genug, diesen Virtuosen aus der Zeit der Belle Époche, dessen farbgesättigte Drucke noch heute ein eindrucksvolles Zeugnis von den nächtlichen Vergnügungsmöglichkeiten im Paris der Jahrhundertwende abgeben, mit herausragenden Bildern seines Schaffens zu ehren.
Überraschend deutlich tritt Toulouse-Lautrec in Zwiesprache mit Daumiers Kunst. Er paraphrasiert, deutet um, verstärkt – eine bisher übersehene Komponente im Werk des Künstlers. Daumier, der lange Zeit überwiegend politisch rezipiert wurde, wird wiederum als scharfzüngiger Chronist seiner Mitbürger im Trubel der Metropole greifbar. Vor allem ist es diese inhaltliche Ebene, auf der sich beide Künstler ohne Unterlass berühren. Wie Daumier war Toulouse-Lautrec ein passionierter Protagonist seiner Zeit, der den Menschen auf schonungslos direkte Weise in seinen gesellschaftlichen Zusammenhängen schildert. Die dialogische Gegenüberstellung von Werken zeigt Szenen aus Pariser Gerichtssälen, das Freizeitverhalten des Städters oder dessen exzentrisches Gebaren, sobald er sich in Gesellschaft seiner Mitbürger befindet.
Wenngleich der Schwerpunkt der Ausstellung auf den Meisterlithographien liegt, jenen mondänen Plakaten und lebensnahen Karikaturen, die das kollektives Gedächtnis bis heute prägen, waren Toulouse-Lautrec und der knapp zwei Generationen ältere Honoré Daumier auch im Einsatz anderer Medien hochgradig versiert. Zeichnungen und Ölbilder setzen an verschiedenen Stellen der Ausstellung einen kraftvollen Kontrapunkt. Dabei kann aus einer Fülle an Werken der Hamburger Kunsthalle sowie aus Sammlungen anderer großer Museen und Privatsammlungen geschöpft werden.
Ergänzend werden Filmdokumentationen über das Paris um 1900 und teils großformatige historische Stadtphotographien das Bild komplettieren, das uns beide Künstler vom Paris des 19. Jahrhunderts so eindrucksvoll vermitteln.