06.06.2008 - 05.10.2008
Überbordende Blumenbouquets, blutige Wildbraten, Zinnkelche und Totenschädel - Stillleben faszinieren seit vielen Jahrhunderten Betrachter und Künstler gleichermaßen. Vom 6. Juni bis zum 5. Oktober 2008 lädt die Hamburger Kunsthalle ein zur großen Sommerausstellung Spiegel geheimer Wünsche mit über 150 Werken aus vier Jahrhunderten. Über 80 sinnlich-opulente Gemälde aus dem Barock bilden den Schwerpunkt der Ausstellung. Zusammen mit Stillleben von Meistern wie Auguste Renoir, Claude Monet, Max Beckmann und George Braque treten sie in einen Dialog mit zeitgenössischen Skulpturen und Installationen etwa von Mona Hatoum, Thomas Schütte und James Hopkins, die sich in bester Tradition des Stilllebens befinden.
Das sorgfältige Arrangement lebloser Gegenstände, toter Tiere wie Wild, Geflügel und Fische, Haus-, Küchen- und Tischgeräte, Früchte, Blumen, Kostbarkeiten und Kuriositäten beschäftigten Künstler schon im Altertum. Der außergewöhnliche Reiz dieser Malerei liegt in der perfekten Illusion, in der täuschend echten Darstellung, die die Künstler mit Farbe, Pinselführung, Komposition und kunstvoller Lichtsetzung erschaffen. Allen Stillleben gemeinsam ist eine seltsame Rätselhaftigkeit und eigentümliche Sinnlichkeit, die die Ausstellung aufzuspüren sucht.
Eine Blütezeit erfuhren die Stillleben in der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts. Eine große Auswahl der schönsten dieser bis heute faszinierenden Blumenstillleben wird in Hamburg zu sehen sein. Den großen Schwerpunkt der Stillleben-Schau bilden die opulent-spielerischen Werke aus dem Barock. In 80 Werken schwelgen renommierte Künstler wie Abraham van Beyeren, Pieter Claesz, Willem Claesz Heda, Johann Georg Hinz, Simon Luttichuys, Isaak Soreau und Juriaen van Streeck in üppigen Blumenarrangements, raffinierten Chinoiserien und Ensembles mit hauchzarten Gläsern, schweren Silberplatten und kunstvoll verziertem Porzellan. Zum Spiel mit Kunst und Natur, Original und Fälschung laden auch die Künstler des 18. und 19. Jahrhunderts, wie Gustave Courbet und Impressionisten wie Auguste Renoir und Claude Monet. Und auch die Meister des 20. Jahrhunderts wie Max Beckmann und Georges Braques schaffen ganz eigene Ansichten von Stillleben.
Stillleben bannen den Blick, sprechen die Sinne an und bleiben doch immer rätselhaft. Die Gegenstände erscheinen oft so täuschend echt, dass man sie mit den Händen greifen möchte.
Die Stillleben-Ausstellung verfolgt die Frage, wie genau die Bilder wirken, wie das Spiel mit der Täuschung, der Illusion und Wahrnehmung funktioniert, und welche Beziehung die kunstvollen Arrangements zum Betrachter aufbauen. Ein wichtiger Schlüssel die Frage zum Verständnis der Auswahl der Themen und Objekte sind die Auftraggeber und Sammler.
Das Wissen um die Bedeutung der Gegenstände mindert nicht die Lust am Schauen. Vielleicht ist es die pure Freude an der Illusion, an der Täuschung und der Vorspiegelung, der der Betrachter sich immer wieder gerne hingibt. Vielleicht sind sie auch die Spiegel geheimer Wünsche des Betrachters selbst. Die Hamburger Ausstellung stellt insbesondere die sensuellen und phänomenologischen Aspekte der Stillleben in den Mittelpunkt: die Illusionseffekte, das Spiel mit Spiegeln, mit den reflektierenden Gläsern oder Stoffen und die verschiedenen Strategien der Künstler, die die Wahrnehmung des Betrachters lenken.
Auch die zeitgenössischen Künstler schrecken keineswegs vor gefüllten Regalen, toten Tieren und gedeckten Tischen zurück. Im Gegenteil – das „gestylte“ Interieur mit Objekten voller Bedeutung und Symbolhaftigkeit ist von großem Interesse. Zeitgenössische Stillleben zeugen von veränderten Wahrnehmungsbedingungen der Moderne und werden immer stärker zu einem Experimentierfeld für neue Stilrichtungen, Materialien und Medien.
In überraschenden Kombinationen treten zeitgenössische Skulpturen und Installationen mit den älteren Gemälden in einen Dialog. Und inmitten der aktuellen Objektwelten zwischen Alltagsleben und Spiritualität tauchen dabei immer wieder die klassischen Motive, wie gedeckte Tische, tote Jagdtiere oder die traditionelle Vanitas-Symbolik auf. James Hopkins Installation Dekadenz und Untergang – ein Regal mit den typischen Objekten eines Jugendzimmers, das mit Abstand betrachtet deutlich die Konturen eines Totenschädels aufscheinen lässt – greift ganz unmittelbar das Thema der Vergänglichkeit des Lebens auf und erinnert an den morbiden Charme der früheren Stillleben-Generationen.