In den 1960er Jahren haben sich die Grenzen der Zeichnung radikal erweitert. Künstler der Minimal- und Konzeptkunst wie Sol LeWitt oder Fred Sandback überführten die Linie von der Fläche in den Raum. Die Zeichnung wechselt in die dritte Dimension. Zeit, Raum, Körper, Sprache und Erinnerung, Betrachtung und Handlung werden in Werken von Franz Erhard Walther zum entscheidenden Faktor. Dieser „Aufbruch in den Raum“ steht im Mittelpunkt der Ausstellung.
Nachdem im ersten Teil der Ausstellung (30. April – 30. Oktober 2016) die Entwicklung der Zeichnung seit den 1950er Jahren im Vordergrund stand, liegt der Fokus im zweiten Teil auf aktuellen Positionen, die sich mit der Expansion in den realen, imaginären oder virtuellen Raum auseinandersetzen. Im Werk des Künstlerduos Carolin Jörg und Michael Fragstein beispielsweise »verflüssigen« sich Tuschezeichnungen mit Hilfe von Augmented Reality Apps und beziehen den Betrachter unmittelbar in den Zeichnungs- und Aktionsprozess ein. Auf der Internetplattform Lines Fiction versammelt Bettina Munk Künstler_innnen, die Zeichnung und Animation kombinieren und damit die beiden Medien interagieren lassen. Der holländische Künstler Robbie Cornelissen inszeniert mit dem Zeichenstift Räume, in die man virtuell hineingesogen wird. Nanne Meyers Zeichnungen reflektieren den Bildraum dagegen über den kartographischen Blick von oben, während Barbara Camilla Tucholski in ihren seriellen Zeichnungszyklen »Zwischenräumen« als zeitlichem und räumlichem Phänomen nachspürt. Die enge Verbindung von Skulptur und Zeichnung, das Spannungsfeld von Fläche und Form, Textur und Linie, von Graphit und Pigment zeigt sich dagegen in den Arbeiten von David Tremlett, Frank Gerritz, Hubert Kiecol, Jan Meyer-Rogge und Ulrich Rückriem.