Haus Knobloch, 1926, heute Haus am Waldsee, Foto: Käthe Stoef, Hamburg
KULTURpur - Wissen, wo was läuft!

Haus am Waldsee - International Kunst in Berlin

Haus am Waldsee, Fassadengestaltung Werner Aisslinger, 2013, Foto: Daniele Manduzia
Haus am Waldsee, Fassadengestaltung Werner Aisslinger, 2013, Foto: Daniele Manduzia
Haus Knobloch, 1926, heute Haus am Waldsee, Foto: Käthe Stoef, Hamburg
Haus Knobloch, 1926, heute Haus am Waldsee, Foto: Käthe Stoef, Hamburg

Argentinische Allee 30
14163 Berlin
Tel.: 030 801 89 35
Homepage

Öffnungszeiten:

Di-So 11.00-18.00 Uhr

Christine Streuli: Nonstoppainting

02.10.2013 - 05.01.2014

Der Schweizer Malerin Christine Streuli (*1975, Bern) geht es in ihrem Werk um Werben und Verführen. Sie übernimmt dabei Strategien aktueller und historischer Medien, verdichtet und übersteigert sie zu einem raumgreifenden Überangebot, das vollkommen neue visuelle Erfahrungen bereit hält. Im Haus am Waldsee wird sie ihren Fokus auf eine Malerei, die sich schichtweise in den Raum entwickelt, zum ersten Mal im großen Stil sichtbar machen.
Streulis Werke speisen sich aus ornamentalen und grafischen Elementen, Farben, Geometrien und Mustern, die sie aus der vorhandenen Bildwelt wie dem weltweiten Netz, der Werbung, Textildrucken aus aller Welt oder aus historischen Bildquellen generiert. Obwohl Streulis Arbeiten sehr malerisch wirken, greift die Künstlerin kaum zum Pinsel. Eher bildet sie Pinselspuren ab. Sie arbeitet mit schablonierten Papierfragmenten, Punktrastern, Flächen und Umrisslinien, die sie durch Abklatschen, Ausschneiden und andere Druckverfahren als Collagen im großen Format aufbaut. Die Bilder erreichen ihre hohe visuelle Dichte durch Schichten, Staffeln und Verschränken. Sie sind, wie die uns umgebende kommerzielle Werbung, mehr Emotionsträger als Informationsträger.
Streuli schafft in ihrem Werk Bilder mit einem hohen optischen Sättigungsgrad, der mit den Mitteln des Pop die Intensität eines Allover erreicht. Die Künstlerin greift regelmäßig auf Bildquellen aus der Kunstgeschichte zurück. So eignete sie sich beispielsweise vorhandenes Bildmaterial des Stilllebenmalers Sebastian Stosskopf an, der Anfang des 17. Jahrhunderts mit präzisen Abbildungen von verführerischen Früchten und luxuriösen venezianischen Gläsern in Europa Erfolge feierte. Dafür stellte sie kleinformatige Interpretationen her, aus denen sie in den eigenen großformatigen Werken zitiert. Streuli greift aber auch auf Vorlagebücher mit Ornamentstichen oder Scherenschnitten zurück, die bis in die Renaissance zurückreichen. Somit entwickelt sie aus der Gesamtheit der künstlichen Welt der Werbung, der historischen Kunst sowie der Ornamentik eigene, neue Bildwelten. Früchte, Akanthus, Sterne oder Scherenschnittmotive, Bandelwerk und Scheinschriften bilden in den weitgehend abstrakten Bildern kompositorischen Halt. Oberflächen aus unterschiedlichen Zusammenhängen und Zeiten treffen aufeinander.
Streulis Arbeiten entfalten dabei durch abstrakte Zeichen von Geschwindigkeit, Temperatur, Farbklang und Räumlichkeit eine hohe Energie. Durch Zitate, Wiederholungen und Spiegelungen belebt die Künstlerin ihre ebenso spontan wirkenden wie sorgfältig durchdachten Bildpartituren. Sie folgt stets dem Gedanken des Sowohl-Als-Auch und arbeitet zugleich in die Fläche wie in der Tiefe. Es gelingt ihr, heftig bewegte Elemente mit grafisch durchstrukturierten Zitaten so in Beziehung zu setzen, dass mit jedem neuen Werk der Eindruck umfassender Simultanität entsteht. Streulis Gemälde können daher auch als Aussagen über unsere globale Informationsgesellschaft gelesen werden, die in ihrer grenzenlosen Verfügbarkeit des Gleichzeitigen jeden Einzelnen täglich herausfordert.
Streulis heftige Paraphrasen eröffnen bisher nicht gesehene, utopische Erlebnisräume. Sie lassen sich nicht auf bestimmte Botschaften und Aussagen reduzieren, sondern zielen vielmehr ganz unmittelbar auf die Emotion des Betrachters, der sich verführt fühlt und, so er sich auf Zeichen und Farben einlassen will, im dynamischen Rausch dieser Bildwelten überraschend Neues erfahren kann.
Die Künstlerin gestaltete 2007 den Schweizer Pavillon auf der Biennale von Venedig und lebt seit 2008 in Berlin.

KULTURpur empfehlen