Die Performancekünstlerin Nezaket Ekici (*1970 Kirsehir, Türkei) wird im Sommer das gesamte Haus am Waldsee mit Installationen und Videodokumentationen ihrer Performances bespielen. Mit „Alles, was man besitzt, besitzt auch uns" wird die mehrfach ausgezeichnete, international agierende Meisterschülerin von Marina Abramović in einem ersten institutionellen Überblick in Berlin vorgestellt.
Seit knapp fünfzehn Jahren verfolgt Ekici in ihrer Arbeit performative und partizipatorische Strategien. Dabei stellt sie sich dem Bild der Frau und Künstlerin zwischen den Kulturen. Unweit von Ankara geboren, im engen Kreis ihrer türkischen Familie in Deutschland aufgewachsen, geht sie in allen ihren Projekten an die Grenze des physisch Möglichen: Wenn sie einen Tschador tragend, vor dem Publikum kopfüber hängt und Tagebucheintragungen, Zeitungsartikel und Texte aus dem Koran liest („Permanent Words", 2009), wenn sie tagelang öffentlich Wände, Boden, Möbel und Zimmerdecken beküsst, um ihre Wertschätzung für das Übersehene, Naheliegende, Liebgewonnene, Intime auszudrücken („Emotion in Motion", 2000). Immer bringt sich die Künstlerin mit radikaler Hingabe körperlich ein. Auch, wenn sie sich über 30 Minuten wie ein Derwisch in einem Blütenmeer um die eigene Achse in Trance dreht („Wirbelrausch", 2008).
In anderen Arbeiten interpretiert Ekici Gemälde der europäischen Kunstgeschichte („Short but Hurting" 2007 nach „Judith und Holofernes", Michelangelo Caravaggio, 1598) oder nimmt Tabus und tradierte Rituale der muslimischen Welt ins Visier, wenn sie sich zum Beispiel mit Justizias Augenbinde, im schwarzen Negligé und gelben Gummihandschuhen in Schweinefleisch suhlt und damit versucht, religionsübergreifende Perspektiven aufzureißen („Flesh, (No Pig but Pork)", 2011).
Die gezeigten Arbeiten werden mit der Funktionen der ehemaligen Wohnräume im Ausstellungshaus in Beziehung gesetzt. So werden in der Eingangshalle Fotografien aus Ekicis Familiengeschichte zu sehen sein. Das anschließende ehemalige Damenzimmer wird als Jugendzimmer umfunktioniert. In „Emotion in Motion" wird es von der Künstlerin in einer mehrtägigen Aktion beküsst, bemustert, in Besitz genommen. Die Dokumentation der Arbeit wird als Video in der Installation zu sehen sein.
„Wirbelrausch" (2008) wird in den Wintergarten einziehen und sich dort dem Gedanken der universellen Liebe widmen. „Lifting a Secret" (2007) wird als Kaffeesalon im ehemaligen Herrenzimmer zu sehen sein. Eine durch Kaffee gefärbte Wandbeschriftung aus Vaseline wird sichtbar, ein türkisches Eheanbahnungsritual wird nachvollziehbar. Im nächsten Raum wird eine große Festtafel 99 Teller mit 99 Perlen tragen, die als Perlen eines Rosenkranzes 99 Gebote Pflichten und Verbote unterschiedlicher Religionen versinnbildlichen und am Eröffnungsabend von der Künstlerin in einer Performance ins Bild gesetzt wird. („99 Commandments", 2013 )
Zu jedem Haus gehört ein Teppich. In diesem Fall handelt es sich um einen Wandteppich im ehemaligen Speisezimmer. Das ornamentale Raster ergibt sich aus einer multiplizierten Fotografie, die die Künstlerin während einer Performance 2011 wiedergibt: „Living Ornament Carpet". Im Obergeschoss wird es eine Badewanne mit Videoprojektion, eine Küche mit einer interaktiven Gemüseperformance sowie eine Arbeit zu sehen geben und eine Arbeit, in der mehrere Mitglieder des Freundeskreises des Hauses am Waldsee als Gäste unter Anleitung der Künstlerin auftreten und Privates in den öffentlichen Raum des Ausstellungshauses tragen. Schließlich wird Ekici im Außenbereich eine neue Arbeit im Waldsee konzipieren. Die Performance wird zur Eröffnung aufgeführt und in einer eigenen Installation im Haus als Videodokumentation vorgestellt.