„Die Photographien sind sehr anregend. Ohne direkt danach malen zu können, geben sie die sichere Gewähr der geschauten Form.“
Ernst Ludwig Kirchner, 5. Juli 1913, Skizzenbuch 35, 1913-1919, Fol.1r
Das Kirchner Museum Davos verfügt über einen umfangreichen Bestand an Glas- und Zellu-lose-Negativen von Ernst Ludwig Kirchner aus der Zeit von 1908-1938. Die fotografische Sammlung des Museums umfasst insgesamt etwa 1500 Werke, zu denen neben den Negativen auch Vintage Prints (vom Künstler selbst hergestellte Abzüge) und Modern Prints (spätere Abzüge) gezählt werden. Durch eine umfangreiche Förderung des Schweizer Bundesamts für Kultur und des Kirchner Verein Davos wurde die komplette Erschliessung des fotografischen Bestands ermöglicht. Sämtliche Negative wurden digitalisiert und von jedem Negativ wurden hochwertige Silbergelatine-Abzüge in Museumsqualität hergestellt. Damit sind erstmals die Voraussetzungen geschaffen worden, um Kirchners vielfältigen und teilweise experimentellen Umgang mit dem fotografischen Medium in seiner ganzen Breite aufzeigen zu können.
Ernst Ludwig Kirchner war wie viele seiner Zeitgenossen von den Möglichkeiten der Fotografie fasziniert und nutzte diese in unterschiedlicher Weise. In seinem Werk gibt es eine deutlich erkennbare Wechselwirkung zwischen Fotografie und Bildender Kunst, so dass man von einer geradezu „fotografischen Bildauffassung“ sprechen kann. Seine Malerei wollte nicht länger abbildende Malerei sein und obgleich Kirchner ein herausragender Zeichner war, verwendete er die Fotografie als Vorlage, Gedächtnisstütze und optisches Hilfsmittel, um dezidiert fotografische Prinzipien (Weitwinkel, Nahaufnahme) in seiner Kunst umzusetzen.
Die Ausstellung versammelt eine Auswahl von ca. 300 fotografischen Werken und präsentiert Beispiele aus allen Genres, in denen sich Kirchner betätigt hat: von Akten und Atelierszenen über Porträts bis hin zu Landschaften und Sachfotografien. Der Künstler legte sogar Inventare von Gemälden und Skulpturen an und ergänzte diese mit Fotografien seiner Werke. Darüber hinaus dokumentierte er Ausstellungssituationen und Hängungen seiner Gemälde. Obwohl Kirchner sich nicht als Foto-Künstler verstand, schöpfte er doch die Möglichkeiten des fotografischen Mediums umfänglich aus. Die Fotografie war für ihn ein Instrument der künstlerischen Findung und Erfindung und zugleich spiegelt sich in ihr die Vorstellung einer Inventarisierung der Welt im Lichtbild. Die Ausstellung bietet deshalb eine umfassende Gesamtschau des fotografischen Blicks im Werk von Ernst Ludwig Kirchner.