Unter der Oberfläche des Internets existiert eine Parallelwelt: Das Darknet beschreibt ein verschlüsseltes, unsichtbares Netzwerk, unerreichbar für konventionelle Browser oder Suchmaschinen und dennoch von Millionen genutzt. Dieses digitale Territorium ist Anstoss der Zusammenarbeit zwischen dem Künstlerkollektiv !Mediengruppe Bitnik (Carmen Weisskopf und Domagoj Smoljo), dem Projekt :digital brainstorming des Migros-Kulturprozent und der Kunst Halle Sankt Gallen. Mit Hilfe von weiteren KünstlerInnen, TheoretikerInnen und HackerInnen werden Organisationsformen, Strukturen und Kommunikationssysteme untersucht, die in den Alltag eindringen, der Öffentlichkeit aber noch weitgehend unbekannt sind. Die Ausstellung «The Darknet – From Memes to Onionland. An Exploration» öffnet die Kunst Halle Sankt Gallen für interdisziplinäre Expeditionen und umfasst Themen wie Urheberrecht, Privatsphäre, Illegalität und Widerstand.
Durch jüngste Ereignisse trat das Darknet, auch Deep Web oder Onionland genannt, vermehrt ins öffentliche Bewusstsein. Der Ruf ist schlecht: Drogen, Waffen, Pornografie, geklaute Daten oder gefälschte Dokumente können darin erworben werden. Die Enthüllungen Edward Snowdens dürften diese einseitige Sichtweise aber verschoben haben. Das Darknet ist ein scheinbar machtfreier Raum, dessen Potenziale noch wenig bekannt und noch weniger genutzt sind. Als kritische Zeitgenossen möchten die Beteiligten dieses Moment ernst nehmen und die intransparenten Mechanismen und Systeme artikulieren. Einige künstlerische Beiträge greifen direkt auf Daten- und Bildwelten aus dem Deep Web zurück. Beispielsweise überführt die !Mediengruppe Bitnik Waren und Spiele dieser Internet-Subkultur in den Kunstraum, während Eva und Franco Mattes Reaktionen auf ein Video aus dem Onionland präsentieren. Cory Arcangels Arbeit bleibt den AusstellungsbesucherInnen verborgen. Er kümmert sich um die Sichtbarkeit der Kunst Halle im World Wide Web. Andere KünstlerInnen beschäftigen sich mit Internet-Phänomenen, die auch im Oberflächen-Web existieren und im Spannungsfeld zwischen Anonymität und Kommerz zu verorten sind: Robert Sakrowski kuratiert YouTube-Filme zur Geschichte von Anonymous, Valentina Tanni stellt ihr Archiv an Memes zur Verfügung und Simon Denny provoziert Fragen nach Businessmodellen, Einkommen und Eigentum in Zeiten des globalen Datenaustausches. Heath Bunting hingegen untersucht die Datenspeicherung im Bezug auf Identitäten. Diese werden etwa mittels Shopping-Cards, Kreditkarten oder Mobiltelefonen konstruiert. Der Künstler thematisiert damit auch Klassensysteme. Umgekehrt kann eine Identität auch gelöscht werden – wie Seth Price mit How to disappear in America vorführt.
Die Kunst Halle Sankt Gallen schlägt in dieser Schau den Bogen zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem – From Memes to Onionland –, die miteinander verzahnt sind. Im Bewusstsein um diesbezügliche Unsicherheiten soll eine mehrperspektivische Annäherung stattfinden. Mit künstlerischen Beiträgen, Archivmaterial, Workshops und Diskussionen wird versucht, dieses hochbrisante Zeitphänomen zu fassen. Das Ausstellungsformat gewährt den BesucherInnen einen Zugang zum digitalen Untergrund und kratzt an vertrauten Vorstellungen – Die Kunst Halle Sankt Gallen ist neu auch im Onionland unter http://vtw7g7wcdsgxq4ru.onion/ zu finden.