Erstmals seit Eröffnung des „Museums der Phantasie“ am Starnberger See verlässt die berühmte Expressionisten-Sammlung von Lothar-Günther Buchheim ihr Haus in Bernried. Sie kommt für fast vier Monate in die Kunsthalle Emden, die ebenfalls von einem passionierten Sammler gegründet wurde: dem gebürtigen Ostfriese Henri Nannen und seiner späteren Ehefrau Eske.
Buchheim und Nannen haben viel miteinander gemein. Henri Nannen (1913-1996) studierte in München Kunstgeschichte, der aus Weimar stammende und in Chemnitz aufgewachsene Lothar-Günther Buchheim (1918-2007) ebendort Kunst. Im Zweiten Weltkrieg war Nannen Kriegsberichterstatter bei der Luftwaffe, während Buchheim in selber Funktion auf und unter dem Wasser bei der Marine unterwegs war. Nach dem Krieg wurden beide berühmt, der eine als Gründer, Chefredakteur und Herausgeber des Stern, der andere vor allem durch den Weltbestseller Das Boot.
Ihre künstlerische Sozialisation erfuhren sowohl Nannen als auch Buchheim größtenteils in der Kunst des Expressionismus. Hier berühren sich die seit den 1950er Jahren zusammengetragenen Sammlungen und haben mit Corinth, Beckmann, Feininger, Kirchner, Heckel, Pechstein, Schmidt-Rottluff, Nolde, Mueller, Jawlensky und Dix gemeinsame Schwerpunkte. Viele Stücke aus der Sammlung Buchheim wie Ernst Ludwig Kirchners Akt auf blauem Grund, Erich Heckels Schlafender Pechstein oder Karl Schmidt-Rottluffs Norwegische Landschaft zählen heute zu den Hauptwerken der Kunst des deutschen Expressionismus. In dieser Dichte und Qualität sind die prägenden Jahre der Brücke und auch die verschiedenen parallelen Strömungen wie in wohl kaum einer anderen Privatsammlung nachzuvollziehen.
Eine einmalige Kooperation zwischen dem Buchheim Museum und der Kunsthalle Emden macht die Zusammenführung von bedeutenden Teilen der Bestände zunächst im Frühjahr in Bernried und nun in Emden möglich. Ergänzt um ausgewählte Bestände aus der Sammlung Nannen eröffnet die Ausstellung „Ein Fest fürs Auge“ ein rund 200 Werke umfassendes Panorama der Kunst der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit seinen sozialen, gesellschaftlichen und künstlerischen Brüchen und Umwälzungen aus der Sicht zweier Sammler, die entscheidend durch diese Zeit geprägt wurden. Beide gingen bei ihren Erwerbungen, unbeeindruckt von Zeitgeschmack und kunsthistorischen Klassifizierungen, mit sicherem Gespür, guter Kenntnis und gnadenlosem Bekenntnis zu persönlichen Vorlieben vor. Mit den farbgewaltigen und kühnen Werken von Kirchner, Heckel, Pechstein, Nolde, Marc und Jawlensky gibt „Ein Fest fürs Auge“ ein beredtes Beispiel für jene sinnliche und noch heute erfahrbare Kraft der Kunst der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.