Das Wechselspiel zwischen Nähe und Distanz sind ein zentrales Thema der Arbeiten von Lysann Buschbeck. Gegenstand ihrer Fotografien, Zeichnungen und Rauminstallationen sind Beziehungen, Menschen in ihrer unmittelbaren Umgebung. Persönliche Teilnahme, aber auch Scham, Rührung oder kühle Distanz sind Empfindungen, die ihre Bilder auslösen, ohne jedoch den schmalen Grat zum Voyeurismus zu überschreiten.
Auch wenn Lysann Buschbecks fotografische Arbeiten auf den ersten Blick eine dokumentarische Haltung einzunehmen scheinen, der sich deutlich von den bildnerischen Arbeiten unterscheidet, löst sich dieser Unterschied bei näherer Betrachtung auf: Wie die Notizen in einem Tagebuch sind ihre Arbeiten in gleichem Maße Dokument wie auch Inszenierung. Mit der 1998 begonnenen und bis heute fortgesetzten fotografischen Bestandsaufnahme Hecht begleitet Lysann Buschbeck eine Gruppe von Jugendlichen, die sie Ende der 90er Jahre als Nachbarn im Dresdner Hechtviertel kennenlernte. Das aus der Langzeitbeziehung derjenigen, die zunächst Kinder, und dann junge Erwachsene sind, mit der Künstlerin entstandene umfangreiche Fotoarchiv lässt die Wünsche, Hoffnungen und Ängste einer Gruppe junger Menschen sichtbar werden. Als erste Generation nach der Wende haben ihre Eltern eigene Sorgen, sie scheinen in den leer stehenden und besetzten Wohnungen und temporären Clubs der Nachwendezeit, in den betreuten Wohngruppen oder im Jugendstrafvollzug mit ihren Fragen alleine zu bleiben. Phasen des Heranwachsens, die erste Liebe und Suche nach Geborgenheit wie auch die Spuren körperlicher Gewalt und des Drogenkonsums sind in dieser Serie, wie auch n ihrem Buch „Hecht“ (Spectorbooks Leipzig 2012) aufgezeichnet.
Einer fehlt immer Lysann Buschbecks neuste Arbeiten zeigen achtlos auf dem Boden liegende Haarreste, Unorte städtischer Infrastruktur oder scheinbar bedeutungslose Zusammenstellungen von Objekten in einer Zimmerecke. Ein riesiger Haufen Glut bezeugt in einem anderen Bild einen gewaltigen Brand. Diese Bilder sind nur vorläufig, sie zeigen die Folgen vorangegangener Ereignisse, deren Wucht, Aggression und Gewalt nur in der Aufnahme zu einem temporären, vorläufigen Stillstand gekommen ist und thematisieren damit das Vermögen und Unvermögen der Fotografie, ein angemessenes Bild der lebendigen Entwicklung von Ereignissen herzustellen, gleichermaßen. Auch hier sind Fragen nach Privatheit, Grenze, Haut, Sprache und die fortwährende Verhandlung der Beziehung des Menschen zu seiner eigenen Umgebung das Thema. Die jüngste Serie „Die Andere Seite“ (2014) zeigt uns die chaotische Innenseite von Kleidungsstücken, die Seite, mit der sie unsere Haut berühren. Die Muster lassen schemenhaft Rückschlüsse auf die Vorderseiten der Textilien zu – im Chaos steckt stets die Ahnung einer dahinterliegenden Ordnung. Kein Zustand scheint stabil, doch Lysann Buschbeck schafft mit ihren Aufnahmen Bild für Bild kurze eingefrorene Gewissheiten.. Lysann Buschbeck arbeitet in verschiedenen künstlerischen Medien. In Leipzig studierte sie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst bei Timm Rautert und Ingo Meller und lebt und arbeitet derzeit in Berlin.