06.02.2011 - 27.03.2011
"viel hilft viel", so der Titel der Ausstellung, in der die fotografischen Arbeiten von Timm Rautert mit den Skulpturen von Carl Emanuel Wolff in einen Dialog treten. Sozusagen die Umkehrung des homöopathischen Prinzips, bei dem Ähnliches durch Gleichartiges geheilt werden soll, wird zum Tenor dieser Zusammenschau.
Bei beiden Künstlern geht es um Verletzbarkeiten, Anfälligkeiten, um Strukturen des Sichtbarmachens und des Erzählens, trotz der unterschiedlichen Lebens- und Vorstellungswelten aus denen beide Künstler schöpfen.
In seinen neueren Arbeiten untersucht Timm Rautert die Beweisfunktion und -last des Bildes, sowie das Verhältnis von Zeugenschaft und Berichterstattung. Es geht um Mord, Missbrauch Zerstörung und Krieg und er untersucht dieses Themenspektrum in der Kunstgeschichte und an deren Repräsentationsorten (Niemand hat etwas gesehen, 2006), in der Tagespresse (Crazy Horse I, 1974, 1994, 2004) und im virtuellen Raum des weltweiten Internets (Crazy Horse II, 2010 + Richmond Highschool, 2010), wo die Kamera unter unterschiedlichen Vorzeichen als Waffe eingesetzt wird. Die Fotografie, als das Medium mit einer privilegierten Stellung zur Wirklichkeit, bleibt stumm, wenn sie nicht gelesen werden kann. Rautert knüpft mit dieser Gegenüberstellung dieser nüchtern kalkulierten Bildebenen an frühere bildanalytische Zyklen an.
Im Gegensatz dazu erscheinen die Skulpturen und Objekte von Carl Emanuel Wolff fast barock. Würdevoll und mächtig zeigen sich die Hirsche, die ähnlich wie der Heilige Sebastian von Pfeilen durchbohrt sind, üppig und verschwenderisch stapeln sich die Fische aufeinander, der lebensgroße Knallermann und sein zwergengroßer Begleiter gehen im wahrsten Sinne des Wortes eine explosive Liaison ein. Wolff rekrutiert sein gewaltiges Bildrepertoire aus der Welt der Mythen und Erzählungen - es sind phantastische Bildwerke, die den Betrachter in ihren Bann ziehen.
Der Dialog zwischen der zweidimensionalen Fotografie und den raumgreifenden Skulpturen ist kein einseitiger - manche Vorstellungen verbinden sich oder werfen Fragen auf, die über den Inhalt weit hinaus gehen. Ob Kunst allerdings, gemäß des Titels Heilung verspricht, muss offen bleiben.
"viel hilft viel" spielt nicht zwei künstlerische Prinzipien gegeneinander aus und versucht auch nicht Ähnlichkeiten aneinander zu reihen. Dennoch gibt es diese, formal-inhaltlich, aber auch im Bezug auf die Künstler selber.
Sowohl Timm Rautert (1941* Tuchel), als auch Carl Emanuel Wolff (1957* Essen) leben und arbeiten in Essen. Neben ihrer eigenen künstlerischer Arbeit arbeiten beiden als Professoren an deutschen Hochschulen, Rautert (1993 - 2006) in Leipzig und Wolff in Dresden, so dass ihr Wirkungskreis nicht nur regional- sondern auch Generationen übergreifend zu nennen ist.
Dass ihre Arbeiten nun in Essen in einer gemeinsamen Präsentation gezeigt werden, ist für das Kunsthaus ein hoffnungsvoller Auftakt in das neue Ausstellungsjahr 2011. Zudem ist es ein Auftakt in ein neues Ausstellungskonzept, dass in der kommenden Zeit verfolgt wird und in dem, neben der jungen Kunst, auch international renommierte Künstler neu gezeigt werden sollen, die mit Stadt, der Region oder dem Haus in Verbindung stehen.
Für das Kunsthaus ist es ein Glücksfall, dass Timm Rautert und Carl Emanuel Wolff unsere Einladung direkt und unkompliziert angenommen haben. Für die Öffentlichkeit ist es eine hervorragende Möglichkeit die künstlerische 'Vielheit' dieser Stadt zu entdecken oder neu zu erkennen.