29.07.2011 - 06.11.2011
Erstmals werden in einer Ausstellung wunderschöne antike Quilts der Amish People bildnerischen Kunstwerken der 1960er Jahre gegenüber gestellt, deren verbindendes Element die Abstraktion und Farbe ist.
Mit ihrer klaren Geometrie, großflächigen Farbanordnung und strengen Komposition kommen die Bettüberwürfe der Amish den Gestaltungsprinzipien der Konkreten Kunst, der Minimal Art sowie der Op Art der 1960er Jahre auf überraschende Weise sehr nahe.
Die wesentlichen Merkmale der Quilts, die zwischen 1880 und 1950 entstanden sind, haben ihren Ursprung in der auf Schlichtheit und Ordnung basierenden Lebensweise der in Nordamerika lebenden christlichen Religionsgemeinschaft der Amish. So entnahmen die in Lancaster County lebenden Amish People das Repertoire der Motive aus ihrem täglichen Leben. Das Muster der bars (Streifen) symbolisiert die mit dem Pflug gezogenen Furchen der Äcker. Das auf den Kopf gedrehte Quadrat im Quadrat stellt den Vorderdeckel des Hymnenbuches dar.
Die Quilterinnen nahmen durch den gestalterischen Einsatz von Quadrat und Streifen viele formale Strukturen vorweg, die in der Mitte des 20. Jahrhunderts in der bildenden Kunst große Bedeutung erlangten. So überrascht es nicht, dass gerade in den 1960er und 1970er Jahren zwei amerikanische Ausstellungen eine bahnbrechende Entdeckung der Quilts aufgrund ihrer Einfachheit und Ausgewogenheit der eingesetzten Mittel, ihrer überraschenden Farbkompositionen und handwerkliche Perfektion bewirkten. Der renommierte amerikanische Kunsthistoriker Robert Hugh sieht die Amish Quilts als eine der erlesensten Kunstäußerungen der Neuen Welt.
Die in den 1960er entstehende Minimal Art strebte nach schematischer Klarheit, Logik und Reduzierung auf einfache, übersichtliche, geometrische Grundstrukturen, häufig in seriellen Wiederholungen. Das Gedankengut der Konkreten Kunst entwickelte sich kontinuierlich aus der Kunst des Konstruktivismus. In bewusster Abgrenzung zur abstrakten Kunst stellt es ein objektiv-kontrolliertes, wissenschaftliches Verfahren in den Vordergrund, bei denen Linien und Farben und geometrische Formen konkrete Mittel sind. Die Wahrnehmungstäuschungen in den Werken der Op Art Künstler werden in einem mit Illusion spielenden, sogenannten Tumbling Block Quilt vorweggenommen.
Die Ausstellung veranschaulicht einerseits die formalen Parallelen der textilen und bildnerischen Kunstwerke, erläutert andererseits aber auch die unterschiedlichen geistigen und gesellschaftlichen Hintergründe für deren Entstehung.
Dem Formenkanon der Quilts mit Center Diamond, Center Square, Bars und Tumbling Block werden die Werke von Josef Albers, Werner Bauer, Hartmut Böhm, Daniel Buren, Carlos Cruz-Diez, Günter Fruhtrunk, Rupprecht Geiger, Rolf Glasmeier, Hans Jörg Glattfelder, Roland Helmer, Rainer Kallhardt, Imi Knoebel, Christian Megert, Francois Morellet, Josef Neuhaus, Ulrich Rückriem, Richard Serra, Victor Vasarely und Ludwig Wilding gegenübergestellt.
Durch die Vermittlung von Eva und Peter Ziegler, Kunsthändler für textile Antiquitäten, stellt uns Caroline Wöhrl großzügigerweise Quilts der Amish aus ihrer Sammlung für die Ausstellung zur Verfügung.
Dem Museum für Konkrete Kunst, Ingolstadt, dem Museum Ritter in Waldenbuch, dem Josef Albers Museum Quadrat in Bottrop und der Galerie Thomas in München danken wir für die wunderbaren Leihgaben. Zudem danken wir der Textilkünstlerin und Diplom Designerin Eli Thomae für die hilfreichen Auskünfte zu Patchwork und Quilten.
In der Ausstellung wird ein Film über das Leben der Amish gezeigt.