Zu Beginn seiner langen künstlerischen Laufbahn verbrachte Marc Chagall drei entscheidende Jahre in Paris (1911 – 1914); in dieser Frühphase kristallisierten sich die Grundlagen für das Schaffen dieses «Meisters der Moderne» heraus. Im Anschluss daran kehrte er für acht Jahre in seine russische Heimat zurück (1914 – 1922), wo er seine einzigartige visuelle Sprache weiter verdichtete und sich Bildthemen erschloss, die für den Rest seines Lebens von zentraler Bedeutung sein sollten. Durchdrungen von einer den Ritualen und der Folklore der jüdischen Kultur entnommenen Symbolik, sind Chagalls Gemälde aus diesen Jahren Reaktionen auf Impulse der damals aufkeimenden avantgardistischen Bewegungen (vom Fauvismus bis zum Kubismus und Orphismus, vom Suprematismus zum Surrealismus). Auch historische Einflüsse sind von Bedeutung, von der Malerei der italienischen Frührenaissance bis zu den postimpressionistischen Visionen van Goghs.
Mit seinem innovativen, fantasievollen Stil zelebriert der Maler den persönlichen Gefühlsausdruck und die eigene Autobiografie auf erzählerische und theatralische Weise. Diese Werkphase, in der sich eine bunte Erzählfreude mit der für Chagall charakteristischen unorthodoxen Kompositionsstruktur, dem kühnen Einsatz von Farben und der ihm eigenen, besonderen poetischen Empfindsamkeit verbindet, wurde zu einem Meilenstein der Malerei der Moderne.
Chagall wird dank dieser Ausstellung, die das Kunsthaus zusammen mit der Tate Liverpool organisiert, als wegweisender Avantgarde- Künstler wiederentdeckt, der die Bildsprache der abstrakten Moderne mit narrativen Elementen, Sentiment, Nostalgie, Fantasie und folkloristischen Einflüssen verschmolz und Werke von unverwechselbarer Poesie schuf, die uns immer wieder von Neuem in ihren Bann ziehen.