Nicht erst seit dem Einsatz von Bildbearbeitungsprogrammen wie photoshop lassen sich fotografische Bilder nicht mehr darauf festlegen, die sichtbare Welt abzubilden. Die Fähigkeit, die Wirklichkeit wiederzugeben, kann heute das Feld der Fotografie nicht mehr vollgültig abstecken. Eine Neubestimmung dieser Kunstform und eine radikale Befragung ihres medialen Charakters lassen sich gerader in jüngster Zeit bei einer bemerkenswerten Zahl von Künstlerinnen und Künstlern feststellen. Bei ihnen wird die Fotografie zu einem Reflexionsgegenstand, kann zum Objekt werden und erkundet systematisch die eigenen Grenzen, Bedingungen und Möglichkeiten, um sich zu erneuern und zu erweitern.
Die Ausstellung zeigt fünf Vertreter einer Fotoauffassung, die dem gewohnten Umgang mit diesem Massenmedium eher mit Skepsis begegnen. Sie betreiben in ihren Arbeiten eine Verunsicherung des Betrachters: Allzu schnelle Gewissheiten, feste Überzeugungen und Sehgewohnheiten im Zusammenhang mit der Fotografie werden von ihnen mit fast spielerischer Leichtigkeit ins Wanken gebracht. Mit Mitteln der abstrakten und der konkreten Kunst hinterfragen sie den vermeintlichen Realitätsbezug der Fotografie. Das Foto ist somit zunächst nicht mehr als ein reines – autonomes – Bild, ein Geflecht aus Licht und Schatten, aus Fluchten und Formen, aus Hell und Dunkel.
Christiane Feser tendiert in ihren neueren Arbeiten zum dreidimensionalen Relief, zum Fotoobjekt. Ausgangspunkt sind Papiermodelle mit seriellen Strukturen, die in einem komplexen Bildfindungsprozess fotografiert, erneut plastisch bearbeitet, wiederum aufgenommen werden. Ein labyrinthisches Verfahren, an dessen Ende ein illusionistisches zweidimensionales Bild oder ein dreidimensionales Objekt stehen können – ein paradoxes Sehangebot, das auf den ersten Blick für den Betrachter oft nicht einlösbar erscheint.
Miriam Böhm arrangiert Flächenräume, aus denen durch Fotografieren, Ausschneiden, Arrangieren, zeichnerisches Erweitern und erneutes Fotografieren irritierende vielschichtige Kompositionen entstehen, deren Abbildcharakter und Realitätsbezug sich dem Auge des Betrachters entzieht. Es sind weniger Fotografien im Sinne einer abbildenden Aufzeichnungstechnik, als vielmehr höchst komplexe Bilder, die sich aus dem Repertoire der fotografischen Gestaltungstechniken bedienen.
Stefan Heynes Werk nimmt seinen Ursprung in der Abbildung realer räumlicher Situationen, die durch die Wahl des Ausschnitts und durch die Unschärfe des Dargestellten zur abstrakten Komposition werden. Seine großformatigen Farblandschaften fangen einen Zustand von Stillstand, Zeitlosigkeit und einer räumlichen Unendlichkeit ein, in dem das menschliche Auge keine fixen Koordinaten mehr zu entdecken vermag: Sie laden ein zu Kontemplation und Meditation.
Gottfried Jäger zählt zu den Pionieren der Konkreten Fotografie in Deutschland. Als Mitinitiator und Theoretiker der „Generativen Fotografie“ und als langjähriger Professor für künstlerische Grundlagen der Fotografie an der Fachhochschule Bielefeld setzt er seit den 1960er Jahren fotoästhetische Maßstäbe, deren Bedeutung gerade in jüngster Zeit mehr und mehr erkannt und gewürdigt wird. In seinen neueren Arbeiten führt er die analogen Programme und seriellen Bildstrukturen der 1960er Jahre in digitaler Übersetzung fort.
Jan Paul Evers transformiert reale Raumfragmente in abstrakte Bilder: Digital bearbeitete Ausschnitte werden analog abfotografiert und dann in der Dunkelkammer in geometrische Kompositionen verwandelt, an denen der ursprüngliche Raumbezug nicht mehr ablesbar ist. Auch gegenständliche Motive, Fundstücke wie Pressefotos, oder auch eigene Aufnahmen durchlaufen den gleichen Prozess vom Digitalen ins Analoge, werden zu Schwarz-Weiß-Kompositionen, deren Abbildcharakter in Frage gestellt wird.