Im Zeitalter digitaler Datenspeicherung und lichtschneller Kommunikation stellt sich die Frage nach dem Erinnern und Vergessen permanent neu, als Frage nach den Möglichkeiten, die dem persönlichen Erinnern und der damit einhergehenden Bewusstwerdung geblieben sind. Dabei gibt es Erinnerung nur in der Gegenwart. Sie ist alltäglich, „Daily“, geschieht bewusst oder unbewusst, immer subjektiv, individuell. So vielfältig ihre Formen sind, so vielen Einflüssen ist sie ausgesetzt, vom Zufall über den Vorsatz bis hin zum Zwang oder dem Wunsch, nicht zu vergessen. Die Kunst ist ein wichtiges Element dieser eng vernetzten Strukturen und oft selbst Instrument und Ort für Erinnerungen.
In der Ausstellung bildet das jeweils individuelle Erinnern und dessen Verknüpfung mit verschiedenen Konstruktionen, Symbolen und Techniken des Memorierens den Ausgangspunkt. Der Betrachter begibt sich in diesen komplexen Horizont von Bildern und Bedeutungen, der, subtil oder bedrängend, zum Reflexionsraum für die eigenen Erfahrungen werden kann.
In den Werken der 17 internationalen Künstler zeigen sich ganz unterschiedliche Methoden, in denen die Funktion von Erinnerung sichtbar wird. Bei Michael Schirner sind es die mit Hilfe der Massenmedien kollektiv verankerten Bilderinnerungen, die er in manipulierten Fotografien untersucht. Gideon Rubin spürt in seinen Bildern der Angst vor dem Vergessen nach, von der die gesichtslosen Porträts des Malers sprechen. Bei Nicholas Nixon zeigt die seit 1976 andauernde Fotoreihe „The Brown Sisters“ die Vergänglichkeit, wobei der Künstler und seine Frau Teil des Geschehens sind und bis zuletzt sein werden. Rashid Johnson hat sich ebenso selbst in den Prozess der Erinnerung begeben und ihn dokumentiert. Seine mehr oder weniger zufälligen Assoziationen der „100 Men“ verknüpfen die digitale Welt des Internet mit seinen Gedanken, seiner Person, sodass diese Bilder auch als Facetten eines Selbstporträts verstanden werden können. Edgar Arceneaux hat in einem Lied Erinnerungen an seinen Vater verarbeitet, während Jeremy Dellers „The Battle of Orgreave“ die Geschichte einer epochalen, gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen britischen Bergarbeitern und der Polizei aufgreift, die sich 1984 ereignete, um sie als Reenactment zu inszenieren. Die chinesische Künstlerin Yin Xiuzhen verwendet für ihre Skulpturen und Installationen oft Secondhand-Kleider, wobei die beiden Koffer, die in der Ausstellung zu sehen sind, urbane Landschaften zeigen, Orte, die für Wachstum, Mobilität, Schnelllebigkeit und Globalisierung stehen. Gleichzeitig verweisen Yins Werke durch ihren Detailreichtum und die Offenlegung der aneinander gesetzten Einzelteile auf das künstlerische Handwerk selbst, das Können, Geduld und vor allem Zeit erfordert.