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Kunstmuseum Kloster Unser Lieben Frauen


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39104 Magdeburg
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Di-So 10.00-17.00 Uhr

Raffael Rheinsberg: ALLES HAT SEINE ZEIT

12.07.2011 - 18.09.2011
"Es ist alles da. Man kann mit allem arbeiten", sagt Raffael Rheinsberg (geb. 1943 in Kiel), der gleichartige Dinge in großen Feldern anordnet. Sein Material sammelt Rheinsberg überall, demnach enthält es eigentlich alles, verrottete Werkzeuge, Schrauben und Teile aus dem Krieg, nicht selten Munitionsstücke, Teile von zerstörten Gasflaschen und vieles mehr. Immer von Neuem entstehen ebenso dicht wie präzise vom Künstler selbst ausgelegte Felder, in denen der Künstler die enge Verbindung seiner Arbeit zu sich in Raum und Zeit ereignenden Prozessen darstellt. Der Realisierung jedes seiner Werke geht ein Prozess des Sammelns voraus: Gedanklich vagabundierend um thematische Möglichkeiten streift er umher zwischen Orten und Un-Orten. Bevorzugt in vermeintlich kunstlosen Gefilden - auf Industriegeländen, Schrottplätzen und in Fabrikhallen - stöbert er nach seinem Material und stößt dabei auf Gegenstände, die niemals schön gedacht waren, aber urplötzlich eine Schönheit und Geschichte offenbaren. Das gefundene Material in Kopf und Händen, setzt Phase zwei der Werkentstehung ein - das Ordnen und Anordnen der Dinge. Jedes Teil für sich, mit seinen jeweils besonderen Formen und Farben, spricht seine eigene Geschichte. So versteht Rheinsberg sie - als mysteriöse Hieroglyphen - und so ordnet er sie bisweilen an - in textlosen Schriftzeilen aus Objekten. Den dritten Prozess schließlich überlässt er dem Betrachter: Während die Blicke schweifen und die Füße das Werk umwandern, entsteht neben dem materiellen Feld ein zweites, ein Feld aus Fragen nach dem Was und Woher der Dinge, nach ihrem Zusammenhang, ihrer Beziehung zueinander, zum Ort und zum Jetzt. Die seit Ende der 1970er Jahre entstehenden Installationen von Raffael Rheinsberg setzen eine Wegmarke in der Kunst. Niemand anders konnte den Zeugnissen des Alltags der Industriezeit ein Bild von vergleichbarer Klarheit geben, niemand wurde dem steten Wandel gerecht, der dieser Zeugnisse so zahlreich in die Welt der Erinnerungen entlässt. Unter dem Titel ALLES HAT SEINE ZEIT zeigt Raffael Rheinsberg in Magdeburg gleich drei seiner großen vielteiligen Installationen, sie bestehen aus Stahl, Lehm und Schamotte. Menschen als die Urheber dieser Alltagszeugnisse haben sie erdacht, benutzt und am Ende beiseite gelegt, abgetan, vergessen. Ihre Zeit war abgelaufen, als der Künstler sie entdeckte und aufgreift. Ihre verblassende Funktionalität legt nicht nur eine verblüffend reiche Ästhetik frei, die ausgelegten Dinge katalogisieren das Vergängliche, sie halten fest was vergeht. Es ist die Noch-Existenz dieser seltsam schönen Zeugnisse, ihre formale, materielle, haptische Eigenart, die sie sprechen lässt. Als Kunst bewahren sie ihre zahlreichen Geschichten, vom Lärm der Maschinen, von der Geborgenheit der Häuser, von der ewigen Magie des Goldes oder vom Abgrund des Verbrechens, und oft weisen die Ausläufer durchaus in unsere Gegenwart. Sie schieben sich quer in den Gang der Zeit, der über sie hinweg läuft. Die Installation des Künstlers wird im Refektoriumsbau in der Oberen Tonne, einem romanischen Gewölbe von ca. 43 Metern Länge, 7 Metern Breite und 6 Metern Höhe gezeigt. Die Idee des Vergänglichen, der Fluss der Zeit, der allen Werken von Raffael Rheinsberg enthalten ist, wird an diesem mehr als 800 Jahre bestehenden Ort in Magdeburg eine ganz eigene symbolische Tiefe entwickeln können.

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