Erst mit über fünfzig Jahren entwickelte der Amerikaner Alfred Jensen sein eigenwilliges malerisches Werk, das ihn zu einem wichtigen Vorläufer der seriellen Malerei der 1960er Jahre machen sollte. 1903 in Guatemala geboren, verlebte Jensen seine Jugendjahre in dem mittelamerikanischen Land, von dem er die Erinnerung an die reinen leuchtenden Farben der Maya-Kultur mitnahm. In den folgenden Jahrzehnten beschäftigte er sich eingehend mit der bildenden Kunst, doch vornehmlich als Begleiter und Berater einer amerikanischen Sammlerin, mit der er die Welt bereiste.
Nach ersten Versuchen in der abstrakt-expressionistischen Malerei fand Jensen 1957 zu den einfachen geometrischen Grundformen, die er nach eigenen Gesetzen anordnete. Jensen war fasziniert von Ordnungssystemen, mit denen sich Zahlen und Farben in rhythmische Abläufe bringen liessen, und dafür griff er auf mannigfaltige Quellen zurück – auf die Kalender der Maya und Inka, auf die Baupläne der Pyramiden, auf die Lehren
der Pythagoräer, die Schriften Leonardo da Vincis, auf Goethes Farbenlehre und viele andere Theorien. Es gelang Jensen, daraus eine eigene Bildsprache zu formen und mit dem pastosen Farbauftrag der Spektralfarben eine malerische Entsprechung für seinen Ausdruckswillen zu finden. Seine Zeitgenossen nannten Jensen den Henri Rousseau
der Abstraktion, um seinen unbekümmerten schöpferischen Umgang mit den überlieferten Theorien zu charakterisieren.
Durch seinen Malerfreund Sam Francis kam Jensen Anfang der 1960er Jahre zu Eberhard Kornfeld in Bern, der ihn von da an vertrat und
sein Werk in Europa durchsetzte. Deshalb befinden sich viele von Jensens wichtigsten Werken nicht in den USA, sondern in Schweizer Sammlungen.