«Glaze over Green?» ist in feinem Bleistiftstrich auf vollgekritzeltem Millimeterpapier zu entziffern. Neben exakt datierten maltechnischen Fragestellungen und künstlerischen Entscheidungen finden sich Kommentare von Atelierbesuchern, private Notizen und unzählige Farbproben. Es ist als würde man dem kalifornischen Künstler David Reed (*1946) beim Betrachten seiner Working Drawings der gedanklichen und materiellen Entwicklung seiner Malerei beiwohnen.
Der heute in New York lebende David Reed zählt zu den bedeutendsten Vertretern abstrakter Malerei der Gegenwart. In den heroischen Traditionen des abstrakten Expressionismus beziehungsweise der amerikanischen Nachkriegsmoderne verortet, reizte ihn zugleich die weit zurückreichende Tradition des Tafelbildes. In aufregender Weise verbindet sein Schaffen Faltungen und Lichteffekte von Renaissance und Barock mit den visuellen Möglichkeiten Neuer Medien und den Codes der «Street Culture» von heute. «Meine Bilder zeigen einen alles durchdringenden, nicht verorteten, unendlichen Raum, den ein sehr eigenartiges mediales Licht durchflutet. Ich möchte diesen Raum aufbrechen, damit er in den Ausstellungsraum hineinreicht und sich dem Betrachter nähert. Was zählt ist die Interaktion, die zwischen Bild und Betrachter stattfindet. Es gibt kein einfaches Ganzes.» (David Reed). In seinen Zeichnungen gibt Reed unmittelbar Einblick in dieses Ganze.
In zahlreichen Einzelausstellungen, unter anderem 2001 im Kunstverein Hannover, 2012 im Kunstmuseum Bonn und 2016 im Pérez Art Museum, Miami, stand Reeds malerisches Schaffen im Zentrum. Mit der Präsentation seiner sogenannten Working Drawings ermöglicht das Kunst Museum Winterthur erstmals einen konzisen Einblick in sein zeichnerisches OEuvre, das seinen Schaffensprozess vorwegnimmt, begleitet, dokumentiert, kommentiert und jenen Denkraum öffnet, in dem Malerei als Möglichkeitsform verhandelt wird.