Die Beziehungen Henry van de Veldes zur Stadt Jena und hier lebenden Personen waren lang und zeitweise sehr intensiv. Neben der dauerhaften Mitgliedschaft in der Gesellschaft der Kunstfreunde von Jena und Weimar, einem Verein, in dem bedeutende Intellektuelle des Großherzogtums freundschaftlichen Austausch pflegten, sind es vor allem drei Projekte, die van de Velde in besonderer Weise mit Jena verbinden:
Das Denkmal für Ernst Abbe, Porzellane für die Manufaktur Selle und ein Entwurf für ein neues Volksbad. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Einzel- und Querverbindungen, den Beziehungen zu den Künstlern Ernst Ludwig Kirchner und Emil Nolde (die beide oft in Jena weilten), dem Philosophen und späteren Nobelpreisträger Rudolf Eucken und anderen – bis hin zu den Ausstellungen der Werke van de Veldes im Kunstverein Jena.
Im Februar 1904 konstituierte sich die Gesellschaft der Kunstfreunde von Jena und Weimar, in deren Vorstand van de Velde mitarbeitete. Diese Gesellschaft von aufgeklärten Bürgern und Intellektuellen war eine willkommene Plattform für den Austausch und die Diskussionen neuer Ideen und hatte das Ziel, die künstlerischen Aktivitäten der Landeshauptstadt Weimar fruchtbar auf Jena auszudehnen. Bereits zur zweiten Versammlung, die am 27. Februar 1904 in Jena stattfand, zählte man 75 Mitglieder und van de Velde hielt einen sehr positiv rezensierten Vortrag über Fantasie und Vernunft in der Kunst. Über diese Gesellschaft war Henry van de Velde in jene Aktivitäten um die Förderung der modernen Kunst einbezogen, mit denen Jena im beginnenden 20. Jahrhundert Geschichte schrieb. Botho Graef, Hans Fehr und einige Weggefährten förderten durch zahlreiche Ausstellungen der Werke von Ernst Ludwig Kirchner, Emil Nolde, Edvard Munch und anderer Expressionisten die Avantgarde. Parallel dazu beauftragte man Ferdinand Hodler mit dem Monumentalgemälde Auszug deutscher Studenten in den Freiheitskrieg von 1813 für die neu errichtete Universität. Zahlreiche Vorträge und Veranstaltungen begleiteten diese Aktivitäten.
Die Geschichte der thüringischen Universitätsstadt Jena ist eng mit der Entwicklung der optischen und glastechnischen Industrie verbunden. Nach dem Tod Abbes entbrannte 1905 ein Streit über eine adäquaten Würdigung am Ort seines Wirkens. Nach endlosen Auseinandersetzungen über die Art und Weise einer angemessenen Ehrung wurden Form und Funktion eines Denkmals in zahllosen, auf nationaler Ebene geführten, Debatten neu definiert und man verständigte sich schließlich 1909 auf den Entwurf Henry van de Veldes. Dieser sah einen monumentalen Zentralbau in Form eines Oktogons mit vier Portalen vor. Mit der strengen und klaren Grundform gelang es ihm, die vier bronzenen Reliefs von Constantin Meuniers Denkmal der Arbeit und die marmorne Herme von Max Klinger zu verbinden, das bis heute zu den Meisterleistungen der Denkmalkunst im frühen 20. Jahrhundert zählt und sich deutlich vom tumben Historismus der Kaiser- und Bismarckdenkmäler jener Zeit abhebt.
Henry van de Velde wurde zu Beginn des Jahres 1902 als künstlerischer Berater für Kleingewerbe und Kunsthandwerk im Großherzogtum Sachsen-Weimar berufen. In dieser Funktion bereiste er das Land und besuchte die 1901 von Ferdinand Selle gegründete Porzellanmanufaktur in Burgau bei Jena. Van de Velde entwarf für diese Manufaktur mindestens ein Service, das dann in Serie produziert wurde.
Von Henry van de Velde sind ferner zwei Entwürfe für ein Volksbad in Jena bekannt, die im Januar 1906 diskutiert – und abgelehnt – wurden. Die Baukommission entschied sich wenig später für einen Entwurf von Wilhelm Werdelmann, der bereits mehrere Badeanstalten errichtet hatte und auch mit den technischen Einbauten bestens vertraut war. Die repräsentative, monumentale Fassade von Werdelmanns Entwurf unterschied sich grundlegend von van de Veldes Plänen, die der Funktion des Bauwerkes folgten und daher auf jede Überhöhung verzichteten.
Die Ausstellung will all jene Aktivitäten, die van de Velde mit der Stadt Jena verbinden, erstmals umfangreich darstellen. Die Exponate sollen sein Wirken direkt oder in Parallelprozessen abbilden. Das bedeutet, dass neben Werken Henry van de Veldes auch Arbeiten anderer Künstler präsentiert werden. Unter diesen sind Constantin Meunier, Max Klinger, Ernst Ludwig Kirchner Ferdinand Hodler, Nele van de Velde und Emil Nolde mit umfangreichen Werkgruppen vertreten.