Alischa Diana Leutner unternimmt den Versuch, Shakespeare in einer „experimentellen, modernen Bildübersetzung“ zu präsentieren. Eigens für die Bochumer Shakespeare-Tage 2014 entstand als Auftragswerk der drei Kunstvereine und des Kulturbüros der Stadt Bochum eine 30minütige Videocollage, bei der die Künstlerin von Zitaten einiger ausgewählter Shakespeare-Dramen ausgeht. Diese abgefilmten Textstellen bilden die Hintergrundfolie für kleine, im Greenscreen-Verfahren inszenierte Handlungsmomente, die sich auf bestimmte Zitate und exemplarische Shakespeare-Figuren beziehen, darunter Hamlet, Romeo und Julia. Alischa Diana Leutner geht es dabei um eine auf bildnerischer, inhaltlicher und medialer Ebene freie künstlerische Übersetzung, die Elemente unserer Zeit aufgreift. Dies entspricht einer zentralen Komponente ihrer künstlerischen Arbeit: der Frage nach der sinnlichen Wahrnehmung. Was ist zu sehen? Welche Bedeutung hat es? Wie ist es im Medium Video installiert?
Die Künstlerin beschreibt die Herangehensweise an das Shakespeare-Projekt als „Spagat zwischen Videosequenzen, die eine bestimmte Stimmung vermitteln wollen, um eine Interpretation der Zitate zu verdeutlichen (Bildsymbole, Farben, Prisma, Perspektive, ...), und der videotechnischen Umsetzung, die ebenso ihre Bedeutung hat (Animation, Überlagerungen, Bewegung, ...).“ Sie reflektiert in ihren animierten Videosequenzen das ständige zeitgenössische Bemühen um eine aktuelle Interpretation der Originaltexte.
Leutner kombiniert textliche Hintergrundfolien mit Darstellern und alltäglichen Gegenständen und fügt diese Bildelemente zu symbolistischen Traumsequenzen. Eine rückwärts verspeiste Erdbeere ist die sinnliche Bildmetapher für das immer wieder neue Aufleben Shakespearscher Werke auf den weltweiten Theaterbühnen, während ein „Hamlet“ zitierender schemenhafter Totenschädel als tradiertes Memento mori die Vergänglichkeit anmahnt. Herumwirbelnde blaue Stühle imaginieren das Platz nehmen und sich positionieren, ein Tetrapack Milch und ein blauer Hoodi vermitteln so etwas wie Zeitgeist. Jemand, der mit einer Videokamera filmt, dient der Künstlerin als selbstreflektive Metaebene, und ein orangefarbener tragbarer Fernseher, der mal wie Hamlets Totenschädel in der Hand balanciert, mal wie ein Ghettoblaster auf der Schulter transportiert wird, verbildlicht ein Schlüsselzitat aus dem 2. Akt von „Wie es euch gefällt“: „All the world's a stage, and all the men and women merely players“ („Die ganze Welt ist eine Bühne und alle Frauen und Männer bloße Spieler.“)
Andere archetypische Symbole sind Texturen wie Sterne, Wasser und Schnee. ein Spektralfarbenband repräsentiert die Vielfältigkeit der Farbe und des Lichts als Parameter der Bildenden Kunst sowie die Fülle des Lebens, wie Shakespeare es verbalisiert hat.
Gleich zu Beginn ihres Videos knüpft Alischa Diana Leutner einen Bezug zu Bochum als Shakspeare-Stadt. Und so erscheinen am Anfang des Videos eine Reihe markanter Gebäude der Bochumer Skyline...
Alischa Diana Leutner (*1979 in Wickede/Ruhr) studierte an der TU Dortmund 2001–2004 Philosophie und Anglistik und 2004–2010 Kunst und Kunstwissenschaft. 2009 war sie Mitbegründerin des jungen Künstlerkollektivs „Salon Atelier“. 2010 gründete sie die Hysterical Media Art Exhibition, ein gemeinsames Offspace-Ausstellungsprojekt junger Künstler. 2010–2012 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin der ID factory im Fachbereich Kunst der TU Dortmund. Lehraufträge verbinden sie seit 2010 mit der Hochschule Bochum, IBKN- Institut für Bildung, Kultur und Nachhaltige Entwicklung, und seit 2011 mit der TU Dortmund, Fachbereich Kunst. Zu den Auszeichnungen Alischa Diana Leutners, die ab 2004 an zahlreichen Ausstellungen beteiligt war, zählt der Grafikpeis 2008 der TU Dortmund. Ab 15. November 2014 zeigt der Kunstverein Bochumer Kulturrat ihre Einzelausstellung „Schneehase“.