Simon Fujiwara (geb. 1982 in London, lebt in Berlin) begibt sich für seine Arbeiten auf die Suche nach Geschichten. Dabei dienen ihm fremde Biografien ebenso als Ausgangspunkt wie seine eigene, die er nach Belieben mit historischen Personen und Ereignissen verwebt und durch fiktive Elemente ergänzt. Persönliches und Gesamtgesellschaftliches, Fakt und Fiktion vermischen sich unentwirrbar miteinander und werden dem Betrachter in aufwändig inszenierten Räumen zur Anschauung aufbereitet. Mit sensiblem Witz stellt Fujiwara hierbei ernsthafte Fragen über die Manipulation von Geschichte und die Beeinflussung des kollektiven Gedächtnisses, sowie über die Mechanismen von Unterdrückung und Gewalt, Autorität und Macht. Für seine Installationen, Performances, Theaterstücke und literarischen Werke schlüpft Simon Fujiwara in immer neue Rollen, wird zum Archäologen, Architekten, Schriftsteller oder Regisseur.
Für seine Ausstellung Grand Tour im Kunstverein Braunschweig füllt Simon Fujiwara – inspiriert durch seine Reisen durch Europa, Asien, Südamerika und den Mittleren Osten – die Räume der frühklassizistischen Villa mit Gegenständen, Briefen, archäologischen Fundstücken und Skulpturen. Im 18. und 19. Jahrhundert war die „Grand Tour“ für junge Männer der nordeuropäischen Elite ein ritueller Schritt ins Erwachsenenleben. Auf ihren Entdeckungsreisen nach Südeuropa sammelten sie zum Zeitvertreib sowie zur Bildung Artefakte und Inspiration. Daran anknüpfend bilden auch Simon Fujiwaras Reisen den Ausgangspunkt für seine einzigartigen, persönlichen Erzählungen, in denen er den modernen Verschiebungen in den Bereichen nationale Identität, Political Correctness, Armut, Wohlstand und Sexualität nachgeht. Die Villa Salve Hospes – 1808 auf dem Höhepunkt europäischer Hegemonie erbaut – wird dabei zum Schauplatz von Fujiwaras exzentrischen, unvollendeten Projekten wie beispielsweise einer halbfertigen römischen Stadt, Entwürfen für ein afrikanisches Inzest-Museum oder gesammelten Bruchstücken von Skulpturen eines Mädchens aus der englischen Arbeiterklasse, hergestellt im ländlichen China.
Simon Fujiwara studierte Architektur an der Cambridge University sowie im Anschluss freie Kunst an der Städelschule Frankfurt. Seine Arbeit wurde mit dem Cartier Award und dem Baloise Kunstpreis (beide 2010) ausgezeichnet. Desweiteren nahm Fujiwara bereits an zahlreichen internationalen Gruppenausstellungen und Biennalen teil (u.a. in Venedig 2009, São Paulo 2010 oder Singapur 2011). Die Tate St. Ives widmete ihm 2012 eine große Einzelausstellung.