22.11.2008 - 18.01.2009
Omer Fast (*1972) gehört zu den markantesten Film- und Videokünstlern der jüngeren Generation. Die Werke des in Jerusalem geborenen und seit 2001 in Berlin lebenden Künstlers sind in den letzten Jahren durch Ausstellungen im Carnegie Museum in Pittsburg, im Museum of Art in Indianapolis und im MUMOK in Wien aufgefallen, wo er u. a. erstmals The Casting (2007) präsentierte: Eine Mehrkanal-Videoarbeit, die im April 2008 im Rahmen der Whitney Biennale vom Whitney Museum of American Art mit einem der international renommiertesten Kunstpreise ausgezeichnet wurde.
In seinen Doppel- und Mehrfachprojektionen untersucht Fast, wie Erfahrung in Erinnerung transformiert und dann vermittelt, gespeichert oder ausgeblendet wird. Dabei interessiert ihn gleichermaßen die persönliche Wahrnehmung und die öffentliche Darstellung von Ereignissen. So interviewte er für Spielbergs List (2003) Krakauer Bürger, die als Statisten bei dem Oscar prämierten Film Schindler's List von Steven Spielberg mitgespielt haben. Während die Laiendarsteller von ihren Erfahrungen berichten, ist für den Betrachter immer weniger zu unterscheiden, ob es sich dabei um Augenzeugenberichte des historischen Geschehens oder Erinnerung an die Filmaufnahmen handelt. Auch die Bilder changieren zwischen Aufnahmen der Stadt Krakau, den Überresten des früheren Konzentrationslagers Plazwow und der unmittelbar angrenzenden Filmkulisse. Dieses Ineinander-Verschränken und permanente Switchen zwischen persönlicher Erinnerung und historischer Rekonstruktion spielt eine signifikante Rolle in Fasts Werk. Der Betrachter spürt förmlich die permanente Ambivalenz zwischen Authentischem und Fiktionalem.
Die Logik einer linearen Erzählung wird durch die für Fast charakteristische Montagetechnik unterlaufen: Bild und Ton der filmischen Bestandsaufnahmen werden in Einzelteile zerlegt und in akribischer Feinarbeit neu formiert. So setzte Fast in der 18 Minuten langen Arbeit CNN Concatenated (2002) den Monolog verschiedener Nachrichtensprecher aus Aufzeichnungen von 10 000 Begriffen Wort für Wort zusammen. Weitaus komplexer sind Fasts Montagen in The Casting (2007), in der unterschiedliche Szenen auf Vorder- und Rückseite zweier Leinwände projiziert werden, die entsprechend nicht zeitgleich betrachtet werden können. Ausgangspunkt bildet ein Interview, das Fast 2006 mit einem US-Soldaten vor einem erneuten Einsatz im Irak geführt hat. Darin berichtet er von zwei traumatischen Ereignissen privater wie beruflicher Natur, die Fast zu permanent ineinander übergehenden Geschichten mit einheitlicher Tonspur verarbeitete. Interessanterweise wirken die Szenen auf den ersten Blick wie merkwürdig vertraute fotografische Aufnahmen. Erst kleine Details – wie aufsteigender Rauch – verdeutlichen, dass es sich hierbei um filmische Zeitbilder handelt. Fast hat Schauspieler gebeten, die vom Soldaten beschriebenen Ereignisse gemäß medialer Vorbilder nachzustellen und für mehrere Sekunden „innezuhalten“. Gerade dieser vermeintliche Stillstand ermöglicht dem Betrachter, die dokumentarisch anmutenden Szenen als Stereotypen medialer Inszenierung zu entlarven. Auch die Positionierung der Projektionsflächen im Ausstellungsraum forciert – entgegen den kinomatografischen Sehgewohnheiten – eine Aktivierung des Betrachters, der die komplexen Montagen in der Bewegung nachvollziehen muss.
Die Überzeugungskraft von Omer Fasts Arbeiten liegt vor allem in der Verweigerung, Erfahrungen gemäß den Konventionen historischer Rekonstruktion in eine konsumierbare Erzählung zu verwandeln.
Die Ausstellung im Kunstverein Hannover stellt deutschlandweit die erste institutionelle Übersichtspräsentation von Omer Fast dar und versammelt Arbeiten von 2002 bis 2008.