Wussten Sie, …
… dass über lange Zeit die Wallfahrt der wichtigste Anlass für privates Reisen war?
… dass bis zum späten 18. Jahrhundert Maler, Zeichner und Architekten eher in fernen römischen Ruinen anzutreffen waren als vor den heimischen Relikten mittelalterlicher Burgen und Klöster?
… dass die Flucht als erzwungene Form der Reise in der Kunst aller Epochen auftaucht?
… dass Lord Arundel während des 30-jährigen Krieges einen diplomatischen Auftrag des englischen Königs mit einer Bildungsreise durch Europa per Schiff verband?
… dass der dokumentarische Impetus, den Albert Eckhouts Portraits der indigenen Bevölkerung Brasiliens aus dem 17. Jahrhundert besitzen, im 20. Jahrhundert in Emil Noldes Südsee-Aquarellen zurückkehrt?
… dass die Skizze zu Menzels Gemälde „Berlin-Potsdamer Eisenbahn“ nach der Natur entstand und daher keine rauchende Lok, sondern nur leere Gleise zeigt?
… dass der deutsche Künstler Eduard Hildebrandt schon 1862/63 einmal um den ganzen Globus reiste und dabei fast 300 herrliche Aquarelle schuf, die lange Zeit vergessen waren?
… dass Max Beckmann 1922 als Tourist wieder nach Berlin kommt und die Mappe „Berliner Reise“ schafft, nachdem er 10 Jahre seines Lebens dort verbracht hatte?
… dass der Omnibus schon in der Weimarer Republik ein beliebtes Reisemittel war?
Reisen, Unterwegs sein, Mobilität sind zentrale Themen seit Anbeginn der Menschheit. Und so tauchen Reisende und Motive des Reisens in der Kunst aller Epochen auf. Das Kupferstichkabinett zeigt in seiner Sommer-ausstellung 2016 die schönsten, verlockendsten und kuriosesten Reisebilder aus über fünf Jahrhunderten.
Der Bogen der rund 100 präsentierten Arbeiten spannt sich von Prachtwerken aus dem Zeitalter der Entdeckungen bis hin zu Ed Ruschas Tankstelle im amerikanischen Nirgendwo und Franz Ackermanns „Mental Maps“. Mit dabei sind die Tropenlandschaften der weltweit zeichnenden Humboldt-Künstler, die rätselhaften Paradiese Paul Gauguins oder die leuchtenden, im Kern aber zutiefst skeptischen Südsee-Aquarelle von Emil Nolde. Schließlich werden auch die Reisen in Traum und Phantasie sowie die melancholischen Seiten der ewigen Pilgerschaft auf Erden vorgeführt: Bilder von zerbröckelnden Sehnsuchtszielen, von Emigration und Flucht, Bilder zum Thema der „Letzten Reise“.
Das Reisethema und die Kunst auf Papier erscheinen aufs engste verknüpft – sind es doch die mobilen Medien, also die Skizzenbücher, Zeichnungen, Aquarelle und Ölskizzen, mit denen uns die Künstler in fremde, neue Welten entführen. Gerade in den Rötel- und Tuschezeichnungen, in der bezaubernden Farbigkeit vieler Blätter und den verschiedensten graphischen Techniken werden Authentizität, Mobilität und Spontaneität der Kunst auf Reisen unmittelbar anschaulich und ihre Wirkmacht erfahrbar.
Mit seinen Sommerausstellungen hat das Kupferstichkabinett – Staatliche Museen zu Berlin ein neues Ausstellungsformat in das deutsche Museumswesen eingeführt. Die bisherigen Schauen „Wir gehen Baden!“ (2014) und „Wir kommen auf den Hund!“ (2015) stießen beim Publikum wie in den Medien auf überaus reges Interesse. Ziel ist es, den Besuchern während der Sommermonate – Zeit der Ferien, Zeit der Reisen, Zeit für Kultur – besonders attraktive und populäre Themen der Kunst- und Kulturgeschichte zu präsentieren. Humor und Ironie kommen nicht zu kurz.