24.02.2008 - 18.05.2008
Er kam aus Erfurt, lebte auf Gut Rothenhausen bei Lübeck – aber seine Liebe gehörte Italien.
Sein Name wird auf alle Zeit mit Venedig verbunden sein: Dem Maler Friedrich Nerlich – der sich später in Italien Nerly nannte – wird jetzt anlässlich der 200jährigen Wiederkehr seines Geburtstages eine große Sonderausstellung gewidmet.
Anlass und Gelegenheit, ihn neu und in seiner ganzen Vielfalt zu entdeckenÂ…
Am 24. November 1807 wurde Friedrich Nerlich in Erfurt geboren. Der Künstler, dem zu Ehren das Angermuseum in Erfurt gegründet wurde, ist aber auch mit Hamburg und Schleswig-Holstein verbunden. Er war der Schüler von Carl Friedrich von Rumohr, der ihm auf seinem Gut Rothenhausen bei Lübeck den nötigen gesellschaftlichen Schliff und das künstlerische Rüstzeug für seine spätere Karriere in Italien vermittelte.
Bereits 1828 reiste der junge Nerly mit seinemMäzen in den Süden. Im Kreise der jungen deutschen Künstler in Rom wurde der geistreich sprühende Nerly bald zum Mittelpunkt ihrer fröhlichen Geselligkeit. Vor allem aber machte er sich schnell einen Namen durch seine unkonventionellen Landschaftsstudien, denen er sich nahezu ausschließlich in der Umgebung von Rom und Süditalien widmete.
Frei von akademischem Ballast weisen sie bereits in die Zukunft der Freilichtmalerei und über die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts hinaus.
Bei genauerem Hinsehen wird zudem deutlich, dass er dem, was er vor sich sah, einen ganz eigenen Sinn verlieh. Oftmals erhalten die Formen der Natur einen fast animalischenoder anthropomorphen Charakter; Baumstämme,Wurzeln, Felsen entwickeln ein Eigenleben, das auch auf menschliche Existenz verweist.
Seine Panoramen und größeren Prospekte zeigen, dass Nerly seine Landschaften inszenierte: Oftmals verband er kontrastierende Teilaspekte zu einem Ganzen, das bewusst den Blick irritiert und dem Betrachter keinen ruhigen Standort bietet.
Als Nerly 1835 Rom verließ, um in die thüringische Heimat zurückzukehren, legte er eine Zwischenstation in Venedig ein. Die Stadt schlug ihn sofort in ihren Bann, so dass er länger als beabsichtigt blieb. Nach der Heirat mit einer schönen Venezianerin schließlich fiel endgültig die Entscheidung für die Lagunenstadt: Nerly, der dort bis zu seinem Lebensende 1878 blieb, wurde zum Maler von Venedig.
Der Künstler musste mit seiner Malerei den Lebensunterhalt für seine Familie bestreiten, dennoch geht seine Darstellung der Stadt weit über die Vedutenkunst für die Touristen hinaus. Mit seinem Werk wollte er jenes Venedig heraufbeschwören, das „nur noch im Land der Träume“ liegt, wie es in einem Gedicht des Grafen August von Platen heißt, mit dem Nerly befreundet war.
In Nerlys Briefen klingen immer wieder die Sorge und der Schmerz über den drohenden Verfall der Stadt durch Krieg, Zerstörung und Modernisierungswut durch. Er wollte mit seiner Arbeit ihre Schönheit für die Nachwelt dokumentieren, so wie es auch John Ruskin mit seinem Werk „The stones of Venice“, 1851, beabsichtigte.
Die Baukunst der Stadt, die Nerly in seinen Zeichnungen und Gemälden wiedergibt, ist nicht nur pittoreske Ansicht, die er für den potentiellen Käufer gestaltete, sondern Inbegriff der Geschichte, der Kultur und der Menschen, die einst das Bild dieser einzigartigen Stadt geformt haben.
Nerlys Venedig-Bild ist nachweislich auch von der Literatur geprägt. Er war, wie Ottilie von Goethe schrieb, nicht nur „ein geschickter Künstler, sondern ein sehr gebildeter Mann“. Er spiegelte in und mit seinem Werk die Atmosphäre, die er in jenen literarischen Texten spürte, die seinen bildnerischen Arbeiten und seiner Intention „seelenverwandt“ waren.
Die Lektüre der Werke des Lord Byron, von E.T.A. Hoffmann,William Shakespeares Venedig-Dramen und Schillers Novelle „Der Geisterseher“ haben neben etlichen anderen literarischen Quellen ihre Spuren in seinem Werk hinterlassen. Damit hat auch noch das Werk des Spätromantikers Nerly teil an der romantischen Verschmelzung der Bereiche von Poesie und Malerei.
Der Künstler näherte sich der Stadt in immer neuen Ansätzen, historischen, literarischen wie aktuellen. Immer aber ist sein Werk eine Hommage an die Serenissima, gestaltet in dem Bewusstsein, dass ihre einmalige Schönheit nicht ewig erhalten bleibe.