Zum ersten Mal richten das Museum für Konkrete Kunst und das Deutsche Medizinhistorische Museum in Ingolstadt eine gemeinsame Ausstellung aus. Sie widmet sich Adolf Fleischmann (1892-1968), einer faszinierenden Künstlerpersönlichkeit des 20. Jahrhunderts. Die Ausstellung zeichnet Fleischmanns Lebensweg nach und führt dabei erstmals beide Seiten seines Schaffens zusammen: seine „Berufung“ als Künstler und seinen „Beruf“ als medizinischer Zeichner und Moulagenbildner.
Adolf Fleischmann machte sich sowohl in der Kunst als auch in der Medizin einen Namen: In der Kunstgeschichte gilt er mit seiner flirrenden, heiteren Malerei als ein wesentlicher Vermittler von europäischer Konkreter Kunst in den USA. Als Sechzigjähriger fand er im New York der 1950er Jahre zu seinem unverwechselbaren Malstil. In der Medizingeschichte ist Fleischmann vor allem durch die Arbeiten bekannt, die er in den 1920er Jahren für die Chirurgische Klinik in Zürich anfertigte: naturgetreue Abformungen kranker Körperteile in Wachs (sogenannte Moulagen) und detailgenaue Zeichnungen mikroskopischer Gewebsbilder. In seiner New Yorker Zeit war er zudem als medizinischer Zeichner für die Columbia University tätig.
Die Präsentation hat den Anspruch, den „ganzen“ Fleischmann zu zeigen und damit einer ungewöhnlichen Biografie des 20. Jahrhunderts auf die Spur zu kommen. Sie bezieht bewusst einen Aspekt mit ein, der bei Künstlerbiografien sonst häufig unerwähnt bleibt, nämlich die Frage, wie Fleischmann seinen Lebensunterhalt bestritt. Diese Frage ist auch deshalb so interessant, weil er als „Broterwerb“ sowohl in Zürich als auch später in New York einer Tätigkeit im medizinischen Bereich nachging und es dabei zu beeindruckenden Leistungen brachte. So kommt es, dass sein Gesamtwerk eine ausgeprägte Zweiteilung aufweist: Seine medizinischen Arbeiten bestechen durch die perfekte Nachbildung der Natur, seine Gemälde dagegen sind frei von jeder Abbildung und wirken nur über die Farb- und Formensprache. Die Oberflächen – Surfaces – stellen ein Bindeglied zwischen diesen extrem unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern dar.
Am 18. März 1892 in Esslingen am Neckar geboren, besucht Fleischmann die Kunstgewerbeschule und studiert daraufhin u.a. bei Adolf Hölzel an der königlichen Kunstakademie in Stuttgart, wo er sich erstmals mit der Kunst der Avantgarde auseinandersetzt. Zwischen den markanten Stationen in Zürich und New York lagen für Fleischmann bewegte Jahrzehnte in Europa, die durch die weltpolitische Lage geprägt waren. In den 1930er Jahren führte er ein rastloses Wanderleben zwischen Mallorca, Italien und Frankreich. Künstlerisch wurde er von den Kubisten und Konstruktivisten in Paris beeinflusst, wo er immer wieder, unterbrochen von Aufenthalten im Internierungslager in Südfrankreich nach 1939, lebte. Mitte der 1960er Jahre kehrt Fleischmann nach Deutschland zurück, wo er kurz vor seinem Tod am 28. Januar 1968 in Stuttgart u.a. im Württembergischen Kunstverein 1966 erste wichtige Einzelausstellungen in seinem Heimatland erfährt. Historische Fotografien, Briefe und Zeichnungen aus dem Lager veranschaulichen die einzelnen Lebensstationen in insgesamt sechs Kapiteln.