Hamburgs südliche Altstadt wird in den 1880er Jahren von einem Wohngebiet zu einer Lagerhausinsel umgebaut. Bevor man ein ganzes Viertel niederreißt, lässt es die Baudeputation von Georg Koppmann (1842-1909) fotografieren. Der Fotograf wird zum offiziell beauftragten Archivar und dokumentiert das, was unwiederbringlich zerstört werden wird: Die historisch bemerkenswerten Häuser, Straßen und Plätze auf der Kehrwieder-Wandrahm-Insel, entlang des heutigen Zollkanals. Anlässlich des 125-jährigen Bestehens der Speicherstadt zeigt das MKG mit über 35 Aufnahmen ein frühes Projekt, in dem die Architekturfotografie systematisch zur Bewahrung des historischen Erbes eingesetzt wird. Bis 1888 entsteht die Speicherstadt als Kernstück des neu gegründeten Freihafens. Georg Koppmann fotografiert 1883/84 die über Jahrhunderte gewachsene Bebauung der Insel und 1888 die neu entstandenen Hafenanlagen. Seine Aufnahmen vermitteln ein Bild von der vorindustriellen Lebens- und Handelswelt am Hafenrand mit ihren unterschiedlichen sozialen Lebenswelten. Zugleich dokumentieren sie, wie sich Hamburg, durch wirtschaftliche Interessen geleitet, als Stadt am Wasser völlig neu erfindet. Mit der Reihe „Die Sammlung Fotografie im Kontext“ gibt das MKG, in Vorbereitung einer für 2015 geplanten umfangreichen Überblicksausstellung über die Bestände seiner Sammlung Fotografie, einen Einblick in die historische Fotografie. In der aktuellen Diskussion in Hamburg um Speicherstadt, Hafencity und Gängeviertel fällt immer wieder das Schlagwort der Gentrifizierung. In der Kritik steht, wie gewachsene soziale Strukturen und schützenswerte Architektur durch ungebremste Profitmaximierung modernen Bauten und einer Umnutzung weichen. Die Ausstellung wirft einen Blick ins 19. Jahrhundert und zeigt, dass die Hafenerweiterung als ein frühes Beispiel dieser Prozesse gelten kann.