Roselyne Titauds fotografische Interieurs erkunden private Wohnräume, zeigen Gebrauchsgegenstände und Erinnerungsstücke und deren Arrangements an der Schnittstelle von persönlichem Rückzugsraum und repräsentativer Außendarstellung. Sie stehen in der Tradition soziologischer Ansätze, die im Sinne Bourdieus private Interieurs als Spiegel sozialer Milieus und ihrer ästhetischen Vorlieben verstehen. Titauds feine, manchmal aber auch ironische Betrachtungen führen – mal sachlich neutral, mal die sinnliche Lichtdramaturgie der niederländischen Genremaler zitierend – in diese Lebenswelten ein und erlauben einen stillen und intimen Einblick in menschenleere Wohnlandschaften. Der Betrachter wird zum Spurenleser der ihm dargebotenen Indizien in einer visuellen Entdeckungsreise mit soziokulturellen Implikationen.
Die Einzelausstellung im Museum für Photographie wird maßgeblich zwei Zeitabschnitte aus dem Werk der Fotografin einander gegenüberstellen: Ihre frühen Interieurs aus Frankreich und die jüngeren, zum großen Teil eigens für die Ausstellung angefertigten Stillleben aus der neuen Wahlheimat Berlin. Die Gegenüberstellung lädt hierbei zur spielerischen Spurenlese nationaler Identitäten und ihrer Besonderheiten ein, die Titauds Arbeiten als Fragestellung aufwirft.