Aus unterschiedlichen Werkphasen und Zeiten werden Plastiken, Schriftbilder, Grafiken und Installationen vorgestellt. Dadurch erhält die Personalausstellung den Charakter einer Retrospektive - ohne eine wirkliche zu sein. Denn dafür ist ihr bisheriges Werk zu umfangreich. Die Bildhauerin konzentriert sich bei ihrer Auswahl auf ihr bildnerisches und ethisches Grundthema des Existenziellen: auf das Behaustsein. Das kann sich gleichnishaft in Form von tönernen Häusern, in Kopf- oder Kokongebilden, in Wort-Gefäßen und in ihren Schriftbildern, sie spricht von Wortbildern, materialisieren. Das Behaustsein schließt bei ihr sogleich ein Unbehaustsein, ein Drinnen und Draußen mit ein. Wie ein roter Faden ziehen sich diese Konstanten des existenziellen Menschseins durch das jahrzehntelang währende Schaffen. Mittels Formenreduktionen und einer archaisierenden Gestaltungsweise entstehen spröd-fragile Sinnbilder. Das schließt den Bezug zu konkreten, historischen Ereignissen nicht aus, zum Beispiel auf die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 und auf den kollektiven Freitod der Juden auf der Hochebene von Masada (73 n. Cr.).
Nach dem Abschluss der Kunsthochschule Berlin Weißensee 1974 entdeckte die gelernte Bildhauerin das formbare Material Ton, ansonsten genutzt von Keramikern und Töpfern, für sich. Auf ihrem Gehöft hat sie einen Brennofen und kann so bis in den Brennprozess hinein Einfluss nehmen. „Ich lobe mir den Ton. Ton ist Philosophie vom Leben: uralt, windschief, zerbrechlich, rissig, unvollkommen und vollkommen alltäglich. Wir sind alle aus Flicken zusammengesetzt, ausgeliefert, auch vor uns selbst und unserer unentwegt betriebenen Auflösung nur notdürftig geschützt.“ (Christiane Wartenberg, 1990)
Ihre großformatigen Wortbilder sind an jeder Innen- und Außenseite der Stellwände in der Ausstellungshalle zu finden und ummanteln mit ihrem visuellen Sprechen, Rauschen und Wispern die raumbesetzenden Arbeiten. Die Schrift wird hier gleichsam zum Gefäß von Textfragmenten, Gedichten und poetischen Assoziationsketten. Ihre Handschrift, gemalt mit Acrylfarben, gezeichnet mit Kohle und Kreide auf Leinwand, Papier oder Folie und kaltnadelradiert, durchläuft mittels der subjektiven Lineatur Phasen des Les- und des Unlesbaren. Dabei stauchen, strecken, zerfasern oder verknäueln sich die Linien. Sie formen Buchstaben und Worte, bilden grafische Horizontale oder Farbgerinnsel. Der Schreibakt wird zu einem des Zeichnens und umgekehrt. Dem Betrachter bleibt es überlassen, inwieweit er Linien und Zeichen zum Wort-Bild hin deuten will.
Christiane Wartenberg ist eine Künstlerin, die den Kontakt zu anderen Künstlern, zu Musikern, Fotografen und Schriftstellern sucht. Es entstehen Gemeinschaftsprojekte, wie das Inbesitznehmen von verlassenen Arbeits- oder Wohngebäuden, die Erstellung von grafischen Büchern mit anderen Malern und Poeten - und die Veranstaltung von Symposien. Seit 1993 wohnt sie auf einem Gehöft im Oderbruch. Dieses hat sie über die Jahrzehnte zu einer Oase des Sublimen und des Schöpferischen ausgebaut. Von hier aus erkundet sie die Räumlichkeit des Ästhetischen, des Kulturellen und des Globalen, durchwoben von der Frage nach dem Sinn des Hierseins und dem Zweck des künstlerischen Tuns. Da die Plastik und ebenso die Sprache in den Raum hinein wirken und ihn gewissermaßen definierend besetzen, spielt der konkrete Ausstellungsraum für ihr Konzept eine entscheidende Rolle. Insbesondere dann, wenn sie temporäre Arbeiten aufbaut. Im hochgotischen Festsaal wird das der Fall sein. Dort entsteht ein betretbares hölzernes Gehäuse.