Seit 1990 zeigt das Museum aus konzeptionellen Gründen keine Dauerausstellung mehr. Dafür wird einmal im Jahr eine Ausstellung mit Arbeiten aus der Sammlung unter einem bestimmten Aspekt konzipiert. 2014/15 richtete sich der Fokus zum Beispiel auf das Stillleben, 2011 auf das Porträt aus einem Zeitraum von fast einhundert Jahren (BLICKE und GESTEN) und 2010 auf abstrakte, konstruktive und konkrete Arbeiten (Tendenz abstrakt). Die Vielschichtigkeit der Sammlung stellt der Beitrag von Sven Behrisch im „DIE ZEIT Museumsführer“ mit den Worten heraus: “Nicht in Berlin oder in München, sondern in Frankfurt (Oder) findet sich die wertvollste Kunstsammlung der Republik. Wertvoll nicht in materieller Hinsicht und auch nicht auf der Polke-, Rauch- und Richter-Skala. Die Sammlung des Museums Junge Kunst ist wertvoll, weil sie ausschließlich und lückenlos ostdeutsche Kunst zusammenträgt. Ein Schatz, den kaum jemand kennt.“ (Hrsg.:Hanno Rauterberg, DIE ZEIT Museumsführer – Die schönsten Kunstsammlungen – noch mehr Entdeckungen, Hamburg 2012, S. 97)
Das Museum begeht in diesem Jahr sein 50jähriges Jubiläum. Eine Ausstellung widmet sich der Ausstellungsgeschichte, die andere konzentriert sich auf das letzte Jahrzehnt der DDR, in der zumindest für die Kunst, vorrangig für die jungen Künstler ein existenzielles Krisenklima für spannende und ausdrucksstarke Kunst sorgte. Werke, stilistisch umschrieben mit dem Begriff des Neoexpressiven, stehen in der Ausstellung im Mittelpunkt. Aus den über 11.000 Arbeiten umfassenden Bestand wurden von 39 Künstlern bzw. Künstlerinnen rund 50 Malereien, 5 Plastiken, 20 Zeichnungen und 60 Druckgrafiken ausgewählt. Sie zusammen ergeben einen repräsentativen, aber natürlich stilistisch und namentlich nicht vollständigen Überblick auf diese Strömung.
In den Siebzigern brach in der „Westkunst“ eine Welle emotionsgeladener Malerei in den Kunstmarkt und –betrieb ein. Es tauchten Begriffe wie „Neue Wilde“ oder „Heftige Malerei“ in der Bundesrepublik, in Italien „Transavanguardia“, in Frankreich „Figuration libre“ und in den USA „Bad painting“ und „New Image Painting“ auf. Dieser Trend zur subjektiven und emotionsgeladenen Malerei ist fast zeitgleich in der DDR und in weiteren sozialistischen Diktaturen zu finden – jedoch als ein Reflex des bloßen Nachahmens nicht zu fassen. Dafür sind die Arbeiten und ihre Entstehungsbedingungen bei genauerem Betrachten zu spezifisch von unterschiedlichen Grundhaltungen geprägt und im gesellschaftlich Situativen verankert. Bildwitz, Schnoddrigkeit im Umgang mit den großen Themen des Lebens oder eine postmoderne Zeichenakrobatik sind hier selten zu finden. Eher geht es um die existenzielle und emotionale Auslotung der Malerei oder der Figur im Verständnis einer klassischen Traditionslinie. Diese lässt sich namentlich in etwa so konturieren: Oskar Kokoschka (1886-1980), Max Beckmann (1884-1950), „Die Brücke“-Künstler und Chaim Soutine (1893-1943). Als künstlerische Fixpunkte nach 1945 kommen unter anderem Francis Bacon (1909-1992), Willem de Kooning (1904-1997), die COBRA-Künstler, der späte Picasso (1881-1973) und Vertreter des Action Painting hinzu.
Ihre Bilder waren, abgesehen von wenigen Gruppen- bzw. Personalausstellungen, nicht im Original präsent, eher in den Katalogen und Kunstbüchern anzutreffen, wenn nicht das Privileg einer „Westreise“ den Weg zum Original ermöglichte. Der Einfluss dieser Künstler war dennoch beträchtlich. Und nicht zu vergessen hinterließ A.R. Penck, der 1980 aus der DDR ausreiste, tiefe Spuren des sozial Anarchischen und des ästhetisch Zeichenhaften auf den Leinwänden und in vielen Lebensläufen. Zudem gab es zum Beispiel mit Professor Bernhard Heisig an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig einen Lehrenden, der diese expressive Formensprache förderte ohne sie selbst bis in ihrer Schlusskonsequenz zu verfolgen. Weiterhin wirkten bereits Maler der älteren Generation, bei denen der Ausdruck des Subjektiven und des Emotionalen überwog, wie zum Beispiel Heinz Tetzner (1920-2007), Horst Bachmann (1927-2007), Hartwig Ebersbach, Erika Stürmer-Alex oder Stefan Plenkers. Doch die Generation der in den Fünfzigern Geborenen war es, die eine bisher so noch nicht dagewesen ästhetische Intensität und qualitative Breite erreichte, trotz der stilistischen Verschiedenheiten und des unterschiedlichen Wollens. Ihre Wirkungszentren lagen vorrangig in Dresden, Leipzig, Berlin und Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz). Bei einigen zog ihr Tun alternative Lebensweisen (soweit das in einem Überwachungsstaat möglich war), Performances, Gruppenbildung, Ausstellungen in Alternativgalerien, die Mitarbeit an Künstlerbüchern oder an Undergroundpublikationen mit ein. Die puristischen „Nur-Maler“, im akademischen Verständnis, gab es auch. Sie waren aber wohl tendenziell in der Minderheit.
Das scheinbar Spontane, im letztendlich wohlproportioniert ausgewogenen Bild, das Dynamische und Instabile, das Übersteigerte und Deformierte, das Strahlende und das Glimmende überwiegen – kurz: das Dionysische siegt auf der Leinwand im politischen und wirtschaftlichen System der Stagnation, Agonie und der latenten Gewalt. Es ist ein ästhetischer Vortrag, der nicht darüber hinweg täuscht, der Mensch ist bedrängt und befangen: in seiner Aktion erstarrt. Er erscheint in seiner bloßgestellten Vereinsamung als ein humaner Solitär im schützenden Rauschen und Flirren der Farben, inmitten eines untergehenden Systems. Es entsteht ein ernster, fast „sakraler“ Ich-Bezug zur begrenzten Situation in einer sich entgrenzenden Welt. In den Bildern von Maja Nagel und Karla Woisnitza blinkt ein Humor auf, der sich aus diesem Korsett zu befreien versucht. Doch dieser bleibt die Ausnahme.
Weitere Strategien setzen sich mittels dramatischer Sinnbilder mit den beiden deutschen Diktaturen (Hubertus Giebe, Trak Wendisch, Hans-Hendrik Grimmling) auseinander oder umkreisen die ewigen Themen Krieg/Frieden und der Einzelne und die Masse (Michael Morgner). Weitere Themen wären die Ambivalenz des Eros (Klaus Süß, Elke Riemer, Werner Liebmann, Günter Hein) und der feministische Freigang im Land des Patriarchalen (Angela Hampel, Maja Nagel). Hinzu kommen die ikonografisch traditionellen Gruppenbilder und Porträts im funkelnden Hell-Dunkelsound urbaner seelischer Vereinsamung (Ellen Fuhr, Johannes Heisig). Wenige entfliehen dieser „Sinnsuche“ und hinterlassen „nur“ informelle Spuren ihrer momentanen Anwesenheit (Klaus Hähner-Springmühl, Jörg Sonntag) oder es tauchen Lineares und Fleckiges auf, trunken taumelnd zwischen Figur und Zeichen. (Hans Scheuerecker, Michael Hengst). Mythisches im Mensch und Tier (Gerd Sonntag, Petra Kasten) oder Phantasmen, in Gestalt grotesker Konstellationen wie bei Walter Libuda, verlassen den Boden des Realen und öffnen sich dem Unbewussten, dem Irrealen.
Die Skulptur ist zahlenmäßig nicht so stark vertreten wie das Bild. Die raumgreifende Installation mit ihren ausgedünnten Wesen zwischen Mensch und Tier von Frank Seidel, das „Paar“ von Hans Scheib, das „Schrott-Objekt“ von Gerd Sonntag, archaisierende Stelen von Andreas Hegewald und Holger Lippmann bezeugen eine Nähe zum Sinnlichen. Frank Maasdorf bearbeitet den rohen Baumstamm und schlägt skizzenhaft Anthropomorphes hinein. Rote Farbe signalisiert unbearbeitete Stellen.