Sigmar Polke – 1941 in Oels (Schlesien) geboren und 2010 in Köln gestorben – gehört zu den bedeutendsten Künstlern der Gegenwart. Die Ausstellung präsentiert Werke von 1963 bis 2010. Sigmar Polke hatte sich selbst immer allen kunsthistorischen Einordnungen zu entziehen versucht. In seiner ersten posthumen Retrospektive, die nach New York und London vom 14. März 2015 an im Museum Ludwig in Köln gezeigt wird, werden daher zum ersten Mal alle künstlerischen Medien berücksichtigt, mit denen Polke Zeit seines Lebens intensiv arbeitete.
In rund 250 Werken werden nicht nur seine Malerei und Grafik, mit denen Polke bekannt wurde, ausgestellt, sondern auch Zeichnungen, Skizzenbücher, Objekte, Skulpturen, Fotografien, Filme, Diainstallation und Fotokopierarbeiten. Viele Werke wurden noch nie in Deutschland gezeigt. Auf diese Weise wird deutlich, wie Polke die Medien miteinander verknüpfte und sich gegenseitig durchdringen ließ: In seinen Gemälden setzte er fotografische Substanzen ein; Raster aus Druckverfahren verwandelte er in Gemälde, Fotografien wurden durch den manipulierten Entwicklungsprozesse zu Unikaten; seine filmischen Erkundungen inspirierten sein Gesamtwerk. Der Titel der Ausstellung spielt auf diesen neuen Künstlertypus an, der sich allen Erwartungen widersetzt und entzieht.
Zugleich lenkt der Titel den Blick auf den gesellschaftshistorischen Kontext seiner Arbeiten. Denn wie kein anderer Künstler beobachtete Polke das Zeitgeschehen der alten Bundesrepublik und reflektierte ihre verdrängte Geschichte des Nationalsozialismus. Greifen seine Gemälde der 1960er Jahre die Konsum- und Warenwelt des bundesdeutschen Wirtschaftsaufschwungs ironisch auf, so lassen sich in seinen von Massenkultur aufgesogenen, und in unterschiedlichsten Medien umgesetzten, kollaborativen Arbeiten der 1970er Jahre viele Anspielungen auf die neuen sozialen Bewegungen und ihre Subkulturen finden. In seinen großformatigen abstrakten Gemälden sind es seit den 1980er Jahren die neuen Materialien, wie photochemische, wärme- und feuchtigkeitsempflindliche, aber auch giftige Substanzen, die eine verunsichernde und ambivalente Wirkung auf den Betrachter haben. „Die Dinge sehen, wie sie sind,“ lautet ein Titel seiner Werke. Bezeichnenderweise erscheint der Titel im Bild spiegelverkehrt. Eindeutigkeit des Sichtbaren umzukehren und in Frage zu stellen, trieb Sigmar Polke zu immer neuen künstlerischen Erprobungen von Materialien und Techniken. Die ausgestellten Werke werden am Ort ihres Entstehens – denn Köln war mehr als 30 Jahre Sigmar Polkes Lebensmittelpunkt – eine besondere Brisanz entfalten.
Dies gilt insbesondere für Sigmar Polkes Filme, die im Rahmen der Retrospektive in Köln umfassend vorgestellt werden. Ab Mitte der 1960er Jahre bis zu seinem Tod war die Filmkamera integraler Bestandteil seiner künstlerischen Praxis. Nur in vereinzelten und ausgewählten Präsentationen machte er seine Filme öffentlich. Im Rahmen einer Tagung, die das Museum Ludwig gemeinsam mit der Universität Köln vom 12. bis 14. Juni 2015 ausrichtet, werden Polkes Filme im Kontext der lebendigen Filmszene des Rheinlandes in den 1960er und 70er Jahren untersucht.
Ein weiterer Bezug wird durch die Sammlung des Museum Ludwig hergestellt. Denn das Museum Ludwig wurde immer wieder mit großzügigen Schenkungen von Polke-Werken bedacht. Bereits 1974 gelangte das frühe Rasterbild Kopf von 1966 über eine Jubiläumsspende in die Sammlung. Außerdem befinden sich eine unbetitelte Arbeit von 1986, Ruine von 1994 und aus dem gleichen Jahr das Transparentbild Fensterfront in der Sammlung des Museums. 2009 erhielt das Museum Ludwig die nahezu vollständig zusammengetragene Sammlung der Editionen von Sigmar Polke. Diese Schenkungen werden in die Präsentation im Museum Ludwig einbezogen.