04.07.2009 - 27.09.2009
Sigmar Polkes Editionen sind keine Nebenwerke. In ihnen werden die reproduktiven Techniken sichtbar, die auch die Gemälde immer wieder aufgreifen: Druck samt Rasterung, Fotografie und Fotokopie. Die Editionen bieten also das buchstäblich, was die Malerei immer nur übersetzt. Sie übersetzen aber auch selbst Gemaltes oder nehmen es vorweg. Die Editionen sind ein wichtiges Element in Polkes Auseinandersetzung mit der repräsentierten und vervielfältigten Welt.
Die Ausstellung greift auf die ganze, über 40-jährige Geschichte dieser Editionen zurück. Seltene Drucke und Bearbeitungen gehören ebenso dazu wie in Tausenden von Exemplaren hergestellte Inserts von Zeitschriften. Seit 1963 und vor allem nach 1967 hat Polke Auflagenwerke hergestellt. Damals war die hohe Zeit der Drucke und Grafiken, doch Polke bediente sich eines höchst ungewöhnlichen Mittels: des Offsetdrucks. Der Offsetdruck, der nur wenige andere Künstler interessiert hat, ist das Medium, aus dem viele Vorlagen für seine Bildwelt stammen. Denn Offset ist das Medium der Boulevardblätter, deren Illustrationen Polke zweckentfremdet. Der Druck der Editionen führt die Beschäftigung mit der Massenkommunikation wieder an ihren Ursprung zurück.
Aber Polke wäre nicht Polke, wenn unterwegs nicht eine Menge vorfallen würde. Er reißt die Bilder nicht nur aus ihrem Zusammenhang, er bringt sie nicht nur in neue Gesellschaft, er manipuliert sie auch nach allen Regeln der Kunst. Alle möglichen Veränderungen von Vergrößern, Einfärben bis Verwischen, Dehnen oder Stauchen kommen vor. Alle möglichen Techniken von Überdrucken, Stanzen, Schütten bis Prägen und Besprühen setzt er ein. Alle möglichen Materialien von hauchfeinem Papier bis bedrucktem Karton benutzt er. Seit Ende der sechziger Jahre erschließt Polke auch eigene Quellen, er fotografiert: sich selbst, Kölner Bettler, Pariser Gebäude, vieles andere. Die eigentliche Arbeit beginnt oft erst in der Dunkelkammer, wo er in Belichtung und Vergrößerung eingreift. Auch diese auf fast magische Weise verwandelten Fotografien erscheinen in Editionen. Dass Polke Abzüge von Fotos zerknüllt und dann wieder abfotografiert hat, passt zu seiner Philosophie, die der Repräsentation größere Macht als dem Repräsentierten zuspricht. Und eine weitere Technik kommt ihm dabei gelegen: der Fotokopierer. Hier werden Vorlagen schnell durchgezogen, wird die Belichtung unterbrochen oder gestört. Das Ergebnis sind Köpfe mit langen Hälsen, schiefe Berge und wilde Schatten, ein Panoptikum der Deformationen. Kaum ein Künstler hat im Bereich des Drucks mit solcher Lust experimentiert, kaum einer war dabei auch so komisch wie Sigmar Polke.
Dank einer großzügigen Schenkung des Sammlerpaares Anna Friebe-Reininghaus und Ulrich Reininghaus ist das Museum Ludwig nun in der Lage, den ganzen Reichtum dieses Werks - das eines der wichtigsten und innovativsten Künstler der Gegenwart - zu präsentieren.