Mit der Ausstellung Ruhe vor dem Sturm untersucht das Museum Morsbroich den Einfluss, den die Minimal Art seit dem Ende der 1960er Jahre auf die rheinischen Künstlerinnen und Künstler ausübte. Zum ersten Mal in der Kunstgeschichte rezipierten damals europäische Künstler einen Stil, der ohne kontinentale Vorbilder und Einflüsse in den Vereinigten Staaten entwickelt worden war. Es handelte sich um eine heftige Auseinandersetzung, die von Respekt und Begeisterung, aber auch von einem selbstbewussten Umdeuten und Konterkarieren der amerikanischen Positionen zeugte.
Seit dem Jahr 1965 ist der Begriff Minimal Art für eine Kunstrichtung gebräuchlich, die vor allem im Bereich der Skulptur auf ein äußerstes reduziertes Formenvokabular setzt. Rechtecke, Kuben, das Prinzip der Wiederholung, eine am menschlichen Maß orientierte Größe und der Gebrauch von industriell vorgefertigten Materialien sind ihre Kennzeichen. Minimalistische Kunstwerke sind „spezifische Objekte“ (Donald Judd), das heißt, sie beziehen sich auf keine Vorbilder, Ideologien, Hierarchien oder spezialisierte Fertigkeiten wie zum Beispiel ein besonderes handwerkliches Können. Spezifische Objekte sind einfach, nachvollziehbar und bedeuten nichts anderes als sich selbst.
Im Jahr 1969 zeigt die Kunsthalle Düsseldorf die Ausstellung Minimal Art, die im Vorjahr bereits im Gemeentemuseum in Den Haag zu sehen war. Vor allem an der Kunstakademie Düsseldorf wird der radikale Auftritt der Minimalisten diskutiert. Sigmar Polke ironisiert die neue Richtung sofort, indem er sie in das ‚alte‘ Medium der Malerei überträgt und als zentrales Bildmotiv eine Reihe von Delfter Kacheln auswählt (Carl Andre in Delft, 1968). Vor allem in der Klasse von Joseph Beuys trifft der Minimalismus auf Künstler, die bereits an der stereometrischen Malerei Kazimir Malewitschs geschult sind: Imi Knoebel, Imi Giese und Blinky Palermo. Und Joseph Beuys selbst, der schon früh mit einfachen, kräftigen Formen und industriellen Produkten gearbeitet hat, verarbeitet den minimalistischen Stil, indem er seine Komponenten mit Wärme, Bedeutung und Materialität auflädt.
Auf diesem Weg entwickelt sich eine besondere rheinische Form des Postminimalismus – empathisch, humorvoll und zitierfreudig – die später bei der Ausformulierung der Postmoderne im Rheinland und den USA eine eigene treibende Rolle spielen wird.