Üppige Frauen, gepuderte Perücken, dekadente Feste und prächtige Baudenkmäler? Lange Zeit wurde die Barockepoche ausschließlich mit klischeehaften Vorstellungen in Verbindung gebracht. Doch ein näherer Blick auf die europäische Kulturgeschichte der Jahre 1580 bis ca. 1770 bringt Überraschendes ans Tageslicht: fortschrittliche Erkenntnisse in der Medizin, ein klassisch-antikes Schönheitsideal, wegweisende wirtschaftliche Entwicklungen, wissenschaftliche Rationalität sowie eine alle Lebensbereiche durchdringende Ordnungsstruktur.
Puder, Pomp und Dekadenz?
Die kulturhistorische Ausstellung „Barock - Nur schöner Schein?“ präsentiert barockzeitliche Charakteristika jenseits von Puder, Pomp und Dekadenz. Sie stellt erstmalig die Vielschichtigkeit und die Widersprüche des Barockzeitalters ins Zentrum der Präsentation. Während die Kultur am Hofe mit rauschenden Festen und kostspieligem Lebenswandel bis heute ein Sinnbild für „Barock“ ist, prägten konfessionelle Auseinandersetzungen, verheerende Kriege und katastrophale Hungersnöte vielerorts den Alltag. Dennoch herrschte in dieser Epoche der Frühen Neuzeit Aufbruchsstimmung: Mit neuen Instrumenten wie Fernrohr und Mikroskop erforschte man die Gestirne des Himmels und die Tier- und Pflanzenwelt der Erde. Handelsbeziehungen, Wissenschaftsaustausch und Missionarsreisen veränderten die Weltsicht nachhaltig und sorgten erstmals für eine global vernetzte Gesellschaft. Schließlich geriet durch ein wachsendes Selbstbewusstsein des Bürgertums die bisherige Ständegesellschaft ins Wanken.
Ausgewählte Exponate präsentieren Vielschichtigkeit des barocken Zeitalters
Anhand von 300 Exponaten, die den Themenkomplexen „Raum“, „Körper“, „Wissen“, „Ordnung“, „Glaube“ und „Zeit“ zugeordnet sind, stellt die Ausstellung die wichtigsten Charakteristika des Zeitalters vor. Darüber hinaus finden sich Themen und Gestaltungsformen des Barock auch heute noch in Werbung, Mode, Design, Kunst oder Architektur und belegen die Aktualität des Phänomens. Mit der Ausstellung setzen die Reiss-Engelhorn-Museen ihre langjährige enge Zusammenarbeit mit dem Kunsthistorischen Museum Wien fort. Auch zahlreiche weitere europäische Museen und Sammlungen unterstützen das Projekt mit kostbaren Leihgaben.